Im oberbayerischen Inzell sind Langläufer in ihrem Element.
Foto oben: Inzell im Chiemgau / www.inzell.de
VON GERHARD FUHRMANN
Es ist für mich eine Reise in die Vergangenheit. Fast 40 Jahre sind vergangen, seit ich in der oberbayerischen Gemeinde Inzell beim Eisspeedway war. Jetzt ist auch der Sport der Grund meiner Rückkehr: Die Inzeller Touristik GmbH hat zu einer Pressereise „Winter aktiv in Inzell“ eingeladen, für die sich Evelyn Wieser vom Marketing einiges einfallen ließ.
Das „Basislager“ für das Wochenende ist das Gästehaus Egger (www.pension-egger.de) in einer Siedlung oberhalb der Gemeinde. Keine Zeit zur Hausführung – der erste Programmpunkt wartet schon – die Kessel-Alm (www.kessel-lifte.de) – eine urige Hütte direkt bei den Kessel-Liften. Drei Aufstiegsanlagen – mit Flutlicht – erschließen das kleine, aber feine Familien-Skigebiet, auf dem sich vor allem der Nachwuchs in Massen tummelt (Tageskarte 7 Euro). Tipp: Mit der Inzell Card Plus, die es bei den Vermietern kostenlos gibt, sind die Lifte umsonst. Die Eltern sitzen derweilen bei der Alm in der Sonne und schauen ihren Kids bei den ersten Brettl-Versuchen zu. Bei uns kommen leider keine Ski zum Einsatz – dafür riesige Gummireifen. Die sorgen für einen Adrenalinkicks auf der Snowtubing-Bahn (täglich von 9 bis 16 Uhr). Ein Schlepplift zieht mich im Reifen nach oben und dann geht es bergab in einem extra dafür angelegten, 150 Meter langen Kanal. Die Gummi-Dinger lassen sich weder bremsen noch steuern. Macht Spaß und es geht mehrmals bergauf und bergab (zehn Fahrten 8 Euro, mit Inzell Card Plus kostenlos). Keine Pause – schon drängt Evelyn zum Aufbruch: „Wir müssen nach Inzell zurück, bevor es zum Schneeschuhwandern zu dunkel wird.“
Am Badepark – bei Hochreiter Sports – wartet schon Rolf, der uns bei der Auswahl des Equipments hilft (www.skischule-inzell.de). Schnell stehen Schuhe und Stöcke bereit und wir laufen ein paar Meter zur Einstiegsstelle. Dort erste Schwierigkeiten. Die meisten haben Probleme mit der Bindung. Ein paar Handgriffe von „Service-Mann“ Rolf und wir stehen sicher in den Riemen. Alleine auf weiter Flur stapfen wir im Gänsemarsch durch den jungfräulichen Schnee. Abwechselnd übernimmt jeder mal die Führung und tritt die Spur für die Nachfolgenden. Dabei Ruhe, knisternder Schnee und diffuses Licht in der langsam untergehenden Sonne. Rolf macht auf Unebenheiten im Gelände aufmerksam. „Das können zugeschneite Bäche oder Spalten sein. Immer alles im Auge behalten und mit den Stöcken das Gelände prüfen.“ Schon sind wir bei einem „versteckten“ Bach angelangt. Rolf hilft beim Überqueren. Dann einige hundert Meter bergauf und die Oberschenkel brennen. Oben kurze Rast, bin völlig durchgeschwitzt, und Rolf empfiehlt den Rückweg. Ringsum atemberaubende Stimmung – die Bergspitzen leuchten rot in der untergehenden Sonne und die Nacht wirft schon ihre Schatten. Nach etwa 90 Minuten geben wir unser Equipment wieder ab und fahren zum Umziehen ins Gästehaus Egger.
Schnell duschen und ab zum Abendessen im Gasthof & Metzgerei Hirschbichler (www.gasthof-hirschbichler.de). Wer Glück hat, kann sich bei schmackhaften einheimischen Gerichten mit Chef Hubert Hirschbichler über alte Zeiten unterhalten. Angespornt durch Olympiasieger Erhard Keller wurde Hubert mit 16 Jahren deutscher Jugendmeister im Eisschnelllauf und gehörte sechs Jahre zur Nationalmannschaft. Seine drei Kinder schafften ebenso den Sprung in die Nationalmannschaft und zu internationalen Auszeichnungen. Wie es sich für einen ehemaligen Leistungssportler gehört, ist Hubert fast jeden Tag in der Max-Aicher-Arena zu finden – auf dem Eis oder in Gesprächen mit den anwesenden Athleten.
Die Eis-Arena steht für uns am nächsten Tag auf dem Programm. Vorher ist jedoch Langlauf-Schnuppern vorgesehen. Die schmalen Latten stehen in Inzell und Umgebung – neben Eisschnelllauf – ganz oben auf der aktiven Hitliste – auf acht präparierten Loipen mit einer Gesamtlänge über 80 Kilometer. „Wer nur am Abend Zeit hat, kann an vier Tagen von 17 bis 20 Uhr auf der beleuchteten Nachtloipe am Camping Lindlbauer auf 1,67 Kilometer seine Spuren ziehen“ sagt Evelyn bei der Materialübernahme bei Hochreiter Sports. Bin mit meiner „alpinen“ Skikleidung anscheinend die Ausnahme im Laden. Alle anderen sind in ihrem Outfit eher dem Langlauf zuzuordnen. Für mich ist das anschließende Schnuppern erst das dritte Mal, dass ich mit dem Sport in Berührung komme. Bei strahlenden Sonnenschein und angenehmen Temperaturen gehen wir mit Trainer Tom zur Loipen-Einstiegsstelle gleich in der Nähe. Er erzählt über Material, Technik und wechselt zu Aufwärmübungen. Dann Bindungs-Ein- und -Ausstieg probieren. Danach mit einem Ski einige Meter hin und herlaufen, um ein Gefühl für das Gleiten zu bekommen. Dann Seitenwechsel und das gleiche nochmal. Tom ist zufrieden und wir schnallen beide Ski an. Stehe noch unsicher auf den Brettln, aber Tom „läuft“ mit Rat und Tat an der Seite und nach kurzer Zeit spüre ich gute Fortschritte. Zugleich werden die zurückgelegten Abschnitte immer länger und meine Technik immer besser.
Nach einiger Zeit dirigiert uns Tom zu einem kleinen Hang, um Bremsen und den Ausstieg aus der Loipe zu üben. Anfangs nicht einfach – aber nach drei Versuchen klappt das eine als auch das andere. „Wer sich traut, kann eine längere Runde laufen, die mit geringen Aufstiegen und Abfahrten für euch schon anspruchsvoll ist“ schlägt Tom vor. Vorne und hinten nichts los in der Spur, aber daneben auf der Skating-Strecke flitzen die Könner vorbei. Unbeeindruckt konzentriere ich mich auf Technik und Gelände und schaffe einen etwa zwei Kilometer langen Abschnitt der Teisenberg-Runde ohne Probleme und laufe – weil die anderen noch auf der Strecke sind – nochmals die Schleife. Das geht an die Substanz, die Aufstiege werden beschwerlicher und bin am Sammelpunkt schweißgebadet.
„Das war Spitze, was ihr geleistet habt“ lobt Evelyn, „und ein geeignetes Training für eure Teilnahme an der morgigen Chiemgau Team Trophy, die in Etappen unterschiedlicher Länge über 42 Kilometer von Inzell über Ruhpolding nach Reit im Winkl führt.“ Überraschendes Staunen in der Runde. „Wir starten als Gästeteam und können jederzeit aussteigen, denn es gibt keine Zeitmessung. Unser Gemeinschaftserlebnis ist wichtiger als Bestzeiten.“
Die Gespräche beim Mittagessen im Landgasthof Schwarzberg (www.schwarzberg.de) drehen sich hauptsächlich um den Langlauf-Marathon und es kristallisiert sich heraus, dass nur unsere Kollegin Stephanie die gesamte Distanz laufen möchte. Alle anderen wollen nach der jeweiligen „Tagesform“ entscheiden.
Bis dahin hat Evelyn noch zwei Höhepunkte im Nachmittags-Programm: Schneemobil fahren und Eisschnelllauf. Im e-snowpark gegenüber vom Eisstation stehen schon vier elektrische Schneemobile bereit (www.e-snowpark.de). Auf dem schattigen Gelände ist es saukalt und jeder möchte so schnell wie möglich mit den Fahrzeugen durch den Schnee brettern. Kurze Einführung, dann bekommt jeder Sturmhaube und Helm und los geht’s. Leider sind die Griffe nicht beheizt und mir frieren die Finger ab.
Der Fahrspaß mit den 32 km/h schnellen Mobilen macht richtig Spaß und erfordert volle Konzentration, um nicht aus den Spurrillen zu kippen. Nach etwa 15 Minuten stelle ich, fast erfroren, aber begeistert, das Gerät ab. Betreiber Andreas Kessler ist stolz auf seine umweltfreundlichen Mobile, die er überall, wo Schnee liegt, einsetzen kann und sagt: „Für zwei Euro je Minute und 25 Euro für 15 Minuten bieten wir für Interessenten über 18 Jahre ein Erlebnis besonderer Art.“
Ein weiteres Erlebnis besonderer Art ist die Max Aicher Arena. Die Anlage mit dem futuristischen Dach wurde 2011 eröffnet und hat seitdem die Rolle Inzells als Eisschnelllauf-Eldorado gefestigt (www.max-aicher-arena.de).
Im Foyer bekommen wir für unsere neuartigen Salomon-Schuhe, die bereits beim Langlauf zum Einsatz kamen, entsprechende Klapp-Kufen. Bevor wir die Eisfläche betreten, begrüßt uns Markus Eicher, ehemaliger Eisschnelllauf-Bundestrainer und Entdecker von Anni Friesinger-Postma, dreifache Olympiasiegerin und mehrfache Weltmeisterin. „Markus wird uns in der nächsten Stunde bei den ersten Schritten auf Eis begleiten“ sagt Evelyn und ich freue mich über einen Profi an der Seite. „Mit euren Schuhen wird das nichts“ meint Markus und schickt uns zurück zum Counter, um eine feste Schuh-Kufen-Kombination zu holen. Zuerst ein paar Schritte auf dem Trockenen, um das Gleichgewicht zu testen und dann rauf aufs Eis. Ringsherum flitzen die Profis unterschiedlicher Nationalitäten in anmutigen Bewegungen traumwandlerisch über die Bahn. Wir tasten uns anfangs noch an der Bande entlang. Dann übernimmt Markus das Kommando und zeigt einfache Einstiegsübungen. Da ich mit fünf Jahren bereits das erste Mal auf Schlittschuhen stand, mehrere Jahre Eishockey gespielt habe und ab und zu mal auf einer Eisbahn war, fallen mir die Übungen leicht und bekomme von Markus anerkennende Worte. Setze mich von der Truppe ab und drehe meine eigenen Runden, die immer sicherer und schneller werden. Ab und zu kurzer Halt, um sich von den Könnern das eine oder andere abzuschauen. Klappt mal, mal nicht – insgesamt bin ich mit meinem Auftritt mehr als zufrieden.
Kurzer Stopp bei Evelyn im Innenraum, wo auf einer Extra-Eisfläche Eishockey gespielt wird. „Das ist die Mannschaft von Inzell-Frillensee“ sagt sie und erzählt mehr über die Arena: „Zuschauen ist gegen eine geringe Eintrittsgebühr (Erwachsene 2 €, Kinder 1 €), die für Inhaber der Inzell Card Plus entfällt, täglich möglich. Wer selbst in Schlittschuhe schlüpfen möchte, hat dazu täglich zwischen 14 und 16 Uhr beim Publikumslauf auf dem Eishockeyfeld Gelegenheit (Erwachsene 5 €, Kinder 3 €). Mittwochs von 19.30 bis 21.30 Uhr und sonntags von 14 bis 16 Uhr ist außerdem die 400 Meter-Bahn frei gegeben (Erwachsene 9 €, Kinder 5 €). Neu ist die Möglichkeit, nach vorheriger Anmeldung in der Touristinfo dienstags an einem Schnuppertraining teilzunehmen. Unter fachkundiger Anleitung und gegen eine Gebühr von 19 Euro kann man selbst das Eisschnelllaufen mit dem Salomon-Schuh probieren (der gleiche Schuh, den wir beim Langlauf nutzten). In dem Wahrzeichen von Inzell finden von Herbst bis Frühjahr regelmäßig hochkarätiger Eisschnelllauf-, -hockey- oder -speedway-Events statt (www.max-aicher-arena.de/events).“
Außerdem hat sie noch einen Ausflugstipp parat: „Zu den Anfängen des Eisschnelllaufs führt eine 30-minütige Wanderung vom Forsthaus Adlgaß hinauf zum Frillensee. In 922 Metern hoch, am Hang des Zwiesel gelegen, gilt er auf dieser Höhe als einer der kältesten Seen Mitteleuropas und friert oft schon im November zu. 1960 wurde er deshalb als Austragungsort der Bayerischen und Deutschen Meisterschaft im Eisschnelllauf gewählt und dann vom jetzigen Standort – zuerst als Natureis- und dann als Kunsteis-Stadion – abgelöst.“ Nach der informativen Pause will ich nochmals aufs Eis und bitte Markus, mir noch etwas „Feinschliff“ zu geben. Er dreht neben mir zwei Runden, zeigt und erklärt und meint, „dass ich bei dem Talent wieder mehr Eislaufen sollte. Das Problem beim Übersteigen in den Kurven lösen wir bei deinem nächsten Besuch.“
Erschöpft, aber voller Euphorie, beende ich mein Eiserlebnis und freue mich auf die Nudelpartie im Alpenhotel Bayerischer Hof (www.alpenhotelbayerischerhof.de). Dort sind schon zahlreiche Teilnehmer der Chiemgau Trophy versammelt, die – wie auch wir – die Starterpakete für den Event bekommen und bei Pasta über den morgigen Lauf diskutieren.
Um 7 Uhr ausgiebiges Frühstück im Gästehaus Egger, dann Abfahrt zum Max-Aicher-Stadion, wo sich 475 Teilnehmer treffen sollen. Parkplatz randvoll, viele wachsen noch ihre Ski, andere machen Aufwärmübungen und dann rein ins Stadion, wo Begrüßung und Einweisung stattfindet. Am Start sind klassischer Langlauf und Skating getrennt. Mit der Nummer 521 gehöre ich zu den letzten, die auf die Strecke gehen. Der Kurs liegt zu der Zeit voll im Schatten, es ist noch kalt und mir frieren jetzt schon die Finger. Will die zirka sechs Kilometer bis zur Kessel-Alm durchzuhalten, wo Evelyn mit dem Auto wartet. Bin alleine in der Loipe und kann deshalb mein Tempo und meinen Stil selbst bestimmen – wenn nur die Finger warm würden.
Nutze deshalb längere Zeit nur einen Stock, um mit der anderen Hand das „kalte“ Problem in Griff zu bekommen. Gottseidank laufe ich jetzt nur noch in der Sonne und das beflügelt meine Anstrengungen. Unterhalb eines langen Anstiegs sehe ich das Auto von Evelyn und hoffe, dass ich mein vorgegebenes Ziel schon erreicht habe.
Droben werde ich mit aufmunternden Worten empfangen und gleich zu einem Foto überredet. „Du musst noch etwa zwei Kilometer bis zur Kessel-Alm laufen – oder willst Du bis nach Ruhpolding weitermachen?“ fragt Evelyn. „Kessel-Alm reicht mir“ und steige wieder in die Spur. Vor mir und hinter mir kein Mensch und kann auf der hügeligen Strecke das Tempo selbst bestimmen. Leider verpasse ich die Kessel-Alm und muss nochmals einen Kilometer zurück.
Mit Evelyn fahre ich nach Ruhpolding, um dort den Rest der Gruppe zu treffen, die schon vorher aufgegeben haben und mit dem Auto vorgefahren sind. Dort kurzer Getränke-Stopp und weiter zum Biathlon-Stadion Chiemgau Arena, das auf der Strecke nach Reit im Winkl liegt. Kurzer Rundgang und noch ein Abstecher zur Verpflegungsstation an der Trophy-Strecke, wo wir uns nochmals eine Stärkung holen. Ist nötig, denn Evelyn will nochmals in die Loipe. Im Drei-Seen-Land noch ein paar Runden in wärmender Sonne und bewundern die Läufer, die hier auf ihrem Weg zum Ziel in Reit im Winkl vorbeikommen. Dorthin wollen wir auch.
Im Auto erzählt Evelyn von den alpinen Möglichkeiten rund um Inzell. „Optimal für Anfänger sind die Lifte im Ortsteil Pommern oder auf der Kessel-Alm. Wer es anspruchsvoller mag, fährt mit dem RVO Bus oder eigenen Auto schnell ins nahe gelegene Skigebiet Winklmoosalm/ Steinplatte mit 50 Kilometer präparierten Pisten.“
Während der Fahrt nach Reit im Winkl scheint es, dass in dieser Region nur Langläufer unterwegs sind. Die Parkplätze an den Loipen sind voll und auf den Loipen herrscht Hochbetrieb – auch im Ziel der Chiemgau-Trophy in Reit im Winkl. Live-Musik, Zelte für Speis und Trank und erschöpfte Teilnehmer – wie auch Stephanie, die die gesamte Strecke gelaufen ist – beherrschen die Szene. Wir genießen noch die Atmosphäre in der Nachmittagssonne und anschließend fährt mich Evelyn zurück nach Inzell – mit umgehängter Startnummer, die ich auch bei der Heimreise nicht abnehme. Eine bleibende Erinnerung an ein Wochenende mit „ungewöhnlichen“ Aktivitäten.
Die Pressereise begleitete Catharina Niggemeier von Creative Navigation
www.creative-navigation.de
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