Mei, wie hatte ich mich auf den Klassiker gefreut – und dann das: Immer noch kein Schnee in den Dolomiten – auch nicht am 26. Dezember und auch nicht rund um die Sella. Zumindest kein natürlicher Schnee, also der von Frau Holle. Trotzdem will ich mir das Vergnügen nicht nehmen lassen. Außerdem hatte ich meinen Töchtern Stella, 23 und Luisa, 20, ein großartiges Skierlebnis versprochen.
Immerhin ist die Sellaronda auch in Wintern wie diesen, in denen weiße Pistenbänder braune Wiesen und felsige Massive durchsschneiden, eine einzigartige und spektakuläre Skitour. Ihre Aufstiegsanlagen und Skipisten führen über die vier Dolomitenpässe Grödner Joch, Campolongo Pass, Pordoi Pass und Sella Joch, rund um den gewaltigen und Kraft spendenden Sellastock. Die zusammenhängende Tour verbindet überdies die vier ladinischen Täler Gröden, Alta Badia, Arabba und das Fassatal. Das Besondere: Man kann sie locker an einem Tag befahren und zwar in beide Richtungen.
Der Ski-Tanz um den heiligen Gral
Das Gebiet zwischen den Orten Wolkenstein, Arraba, Cortina und Colfosco zu umrunden, ist auch heute noch ein wenig wie der Tanz um den heiligen Gral, den man als einer von täglich bis zu 15 000 gezählten Skifahrern einmal gemacht haben muss. Zum Glück waren heuer am 2. Weihnachtssonntag lange nicht so viele Menschen auf den Pisten unterwegs. Auch wenn die Schneekanonen und Pistenpräparierer ganze Arbeit geleistet haben – es hätte doch leicht etwas eng werden können, angesichts des grünen bis felsigen Untergrunds direkt neben den künstlichen Schneebändern.
Genau deshalb hatten wir uns für den An- und Abreisetag Samstag für unsere Skitour ausgesucht. Im Vertrauen auf die schnelle Abfertigung an den einzelnen Liften blieb sogar noch ausreichend Zeit für ein Extra-Zuckerl. Um zum Einstieg in die Sellaronda in Wolkenstein zu kommen, nahmen wir von St. Ulrich aus den Weg über die Seceda. Lohn waren ein grandioser Ausblick auf Langkofel, Plattkofel und rüber zum Schlern sowie ein Vorgeschmack auf die gradiose Sella.
Mit der U-Bahn nach St.Christina
Beeindruckend für die Töchter war dann die schnelle Fahrt mit der Pisten-U-Bahn rüber nach St.Christina, von wo aus uns die Lifte bis unterhalb des Langkofels brachten, der uns nur 20 Minuten zuvor noch so verführerisch angelacht hatte. Über die Ciampinoi-Abfahrt ließ es sich locker nach Wolkenstein runter schwingen. Selbst weit unten hatte der Kunstschnee hervorragende Qualität. Ab hier entschieden wir uns für die anspruchsvollere, in den Skikarten orange gefärbte Fahrtrichtung.
In Wolkenstein geht es dann mit der Seilbahn zur neuen, beeindruckenden Bergstation Dantercëpies, hoch über dem Grödner Joch. Ab hier schwingen wir in einer langen Carving-Abfahrt nach Colfosco, wo die neue Kabinenbahn Borest den Übergang nach Corvara übernimmt. Von dort fahren wir mit der Boè-Gondel hinauf gut 2220 Meter und sausen zum Campolongo Pass auf 1875 Meter hinunter. Hier bringt uns der Skilift Bec de Roces rüber zur Piste in Arabba. Dort angekommen muss man die Skier allerdings schultern für einen kleinen Fußmarsch inklusive Treppenanstieg zur Seilbahn Portavesovo, die zum Pont de Vauz führt.
Das schönste Panorama der Sellaronda im Liegestuhl genießen
Der Sessellift von Fodom bringt uns dann zum nächsten Pass, dem Pordoi Joch. Eine kurze Abfahrt führt zum Lezuo Sesselift, von hier aus geht es rauf zum Belvedere mit herrlichem Blick rüber zur schneebedeckten Marmolada. Vom Belvedere aus fährt man die lange Abfahrt hinunter bis zu Pian Frataces, (Lupo Bianco) und gelangt mittels der Umlaufbahn und des Sesselliftes zum Sella Joch beziehungsweise nach Col Rodella. Unterwegs lohnt sich eine Viertelstunde Rast im Liegestuhl vor der Baita Gherdeccia mit dem schönsten Panorama der gesamten Sellarunde.
Ausgeruht geht es weiter zur legendären Comici-Hütte unterhalb des Langkofels, deren neu gestaltete Sonnenterrasse aber um diese Jahreszeit gegen 14.30 Uhr schon weitgehend im Schatten liegt. Eine schöne und lange Abfahrt bringt uns schließlich über die Saslong wieder nach St.Christina. Wer diese Sella-Stecke wählt, legt rund 13.518 Meter zurück, mit Aufstiegs- und Abstiegsanlagen etwa 23.100, insgesamt eine Summe von fast 37 Kilometern.
Ein „Bombardino“ zum Abschluss des Skitages
Als „digital Natives“ haben sich die Mädels die Route natürlich über die neue App „3D Superski“ angeschaut, was die eine oder andere Gondelfahrt auch kurzweiliger machte. Die Möglichkeit, an einem virtuellen Wettkampf um zurückgelegte Strecke und Höhenmeter teilzunehmen, ließen wir aber ungenutzt angesichts der Wettfahrten zwischen Vater und Töchtern bis zur jeweils nächsten Aufstiegsanlage. Besonders gut gefallen hat den Mädels neben der Natur und dem Einkehrschwung in der Fodom-Hütte (mit knusprig-leckerer Holzofen-Pizza), vor allem die Qualität des Schnees und die breiten Carving-Pisten. Nur an ganz wenigen Stellen waren die Abfahrten mit zusammengefahrenen Schneehaufen bedeckt oder übermäßig vereist. Jedenfalls war nichts dabei, was nicht ein geübter Fahrer mit gescheitem Kantenschliff nicht locker meistern könnte.
Und da wir zügig unterwegs waren, bleibt sogar noch Zeit, über den Col Raiser noch einmal die Seceda zu fahren, mit einem kurzen Abstecher auf ein wohl verdientes Glasl Roten in die Sofie-Alm. Selbst dann haben wir noch immer einen weiteren Höhepunkt vor uns: Die 10,5 Kilometer lange Abfahrt „La Longia“ über das Anntal nach St. Ulrich. Weil nun keine Lifte mehr zu nehmen sind und die Sonne allzu schön den Tag beendet, ist es schwer der Verlockung zu widerstehen, noch einen „Bombardino“ (heißer Eierlikör mit Rum und Sahne) als Sun-Downer auf der Terrasse der kleinen Curona-Hütte zu genießen.
Bei der Ankunft in St. Ulrich fühlt man sich dann als Münchener zum Abschluss ein wenig an Bayerns Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber erinnert, der ja bekanntlich vom Hauptbahnhof mit der S-Bahn „direkt“ in den Flughafen einfahren konnte. Hier fährt man mit den Skiern direkt ins Parkhaus, quasi bis vor den Kofferraum, beziehungswiese die Skibox. Einfach abgefahren!