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Am letzten Sonntag fuhr der Brenninger an Innsbruck vorbei – und musste sofort an die Rosi denken. Nein, nicht an die aus dem Sperrbezirk. Sondern an die aus seiner Kindheit. An die Rosi Mittermaier. Denn just an jenem Sonntag vor 40 Jahren war es gewesen, dass die Rosi in der Axamer Lizum bei Innsbruck Abfahrts-Gold gewann.
Sieben Jahre war der Brenninger damals jung und erinnert sich heute noch, wie sein Vater über Rosis Ritt völlig aus dem Häuschen geriet. Und nicht nur er. Denn die in München zur Welt gekommene “Miss Lächeln” (so die “New York Times”) wurde bei jenen 1976er-Spielen ja auch noch Slalom-Olympiasiegerin sowie Riesenslalom-Silber-Gewinnerin und Kombinations-Weltmeisterin. Die Fans drehten ihretwegen schier durch – sangen zu Tausenden immer und immer wieder:
“Rosi, Rosi, noch einmal,
Es war so wunderschön;
Rosi, Rosi, noch einmal,
Wie wird das weitergehn?
Rosi, Rosi, noch einmal,
Wir woll’n dich noch mal seh’n…”
Rosi, damals 25, gewann die Sympathien selbst jener Nord-, West- und Ostdeutschen, die sich für Skilaufen bis dahin so stark interessiert hatten wie ein Bayer für den Heringsfang. Schilderte damals die “Hannoversche Allgemeine Zeitung”:
“Gestern in den Mittagsstunden bot die City ein exzentrisches Bild. Vor den Schaufenstern der Rundfunk- und Fernsehgeschäfte drängten sich die Passanten, und die Stimmung war ganz und gar unhannoveranisch. Denn wann hat es das schon mal gegeben, dass geballte Menschentrauben auf Hannovers Straßen ‘Rosi, Rosi’ rufen. Ebenso schier unglaublich für hiesige Verhältnisse ist, dass mehrere Dutzend Leute vor den Schaufenstern der Fernsehgeschäfte gleichzeitig die Arme in die Luft warfen. Ehe Hannoveraner sonst die Arme in die Luft werfen, muss schon etwas Außergewöhnliches passieren, sechs Richtige im Lotto etwa. Doch derartige Temperamentsausbrüche auf offener Straße passieren in Niedersachsens Metropole sonst nur bei Schützenaufmärschen. Der Clou aber war, man feierte jemand aus Bayern. Und das muss als absolut einmalig in der bisherigen kleinhannoverschen Geschichte gelten.”
Der “Spiegel” schrieb von einem “Sterntaler-Märchen” und konstatierte, dass “hier vielleicht noch ein letztes Mal siegte, was es eigentlich schon gar nicht mehr gibt: Mens sana in corpore sano, nach der freieren bayerischen Devise ‘gsund samma’.” Und Rolf Henkel beobachtete für die “Zeit”, dass “die Symbolkraft, die deutsche Patrioten einst aus dem Anblick des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig schöpften, biedere Bundesbürger jetzt bereits beim Anblick eines schlichten Einfamilienhauses auf der Winklmoosalm überkommt” – Rosis Elternhaus bei Reit im Winkl.
Martin Maier lobte im Wiener “Kurier”: “Ich kenne Rosi seit ihrem ersten Start. Nie hat sie den Schnee beleidigt durch eine Ausrede. Nie eine Strecke gekränkt mit dem Hinweis, dass sie ein Miststück sei. Einmal, als in der Nacht Neuschnee gefallen und ihre Startnummer 1 ein Todesurteil war, hat sie nur gelächelt: ‘Eine muss die erste sein’. Der Rennlauf hat Rosi Mittermaier nicht zerstört, er hat eines seiner süßesten Kinder nicht gefressen.”
Und eine italienische Zeitung schwärmte: “Sie ist die heilige Johanna der Skipisten. Unbekümmert und ungefährdet stürzt sie sich in die steilsten Hänge. Ihre Unschuld beschützt sie.” Rosis Image begann märchen-, kitsch- und heiligenhafte Züge anzunehmen. Was tun mit diesem Image? Wie es am besten vermarkten? Der Journalist Werner-Johannes Müller interviewte noch während der Innsbrucker Tage den damaligen bundesrepublikanischen “Werbe-Papst” Charles Wilp:
“Die Gold-Rosi”, behauptete Wilp, “ist werbepsychologisch gesehen eine absolut heiße Type! Sie kann Millionen verdienen. Bei mir liegt schon seit einigen Tagen ein 300 000-Mark-Angebot eines englischen Konzerns. Rosi lächelt andauernd, und die ganze Welt mag sie. Das sind tolle Voraussetzungen. Von der Tiefkühlkost (Tutti-Frutti-Rosi) bis zur Zahnpasta (Smiling-Rosi) kann sie alles an den Mann bringen. Ihre Möglichkeiten reichen von Kuweit bis hin zum Sunset-Boulevard. Außerdem sollte die Fremdenverkehrswerbung nicht vergessen werden, denn im Gegensatz zu Mark Spitz hat die Rosi ja eine echte Heimatlandschaft anzubieten. Es gilt vor allem, ihren Sex-Appeal zu vollster Blüte zu steigern. Mir sind diese Skimädchen zu sehr verpackt. Ich denke da beispielsweise an Klarsichtfenster an den Hüften, weil Rosis Sex bislang leider noch in Augenhöhe liegt. Auch die Kosmetik-Branche wird zu gewinnen sein, denn Rosi hat eine herrlich sehnige Nase, wie Renoir sie immer gemalt hat.”
Rosi Mittermaier wurde mit ihrer Popularität auch zum Lieblings-Objekt der Regenbogen-Presse. Das “Goldene Blatt”: “Wie Rosi gleichzeitig Glück und Gold fand”. Oder “7 Tage”: “Arme Gold-Rosi. Noch lächelt sie. Dabei ist ihr so sehr zum Weinen zumute”.
Denkste. Sie lächelte weiter. Und trotz Christl Cranz in den dreißiger und später Katja Seizinger in den neunziger Jahren und Maria Höfl-Riesch im 21. Jahrhundert – Rosi Mittermaier wurde und blieb die Beliebteste. Weil sie immer freundlich und niemals überheblich sich präsentierte – den Konkurrentinnen sogar Tipps zur richtigen Streckenwahl gab.
Am Ende ihres Erfolgswinters beendete die “Slalome”, wie der “Stern” sie taufte, ihre aktive Karriere und unterschrieb einen Vertrag bei der Vermarktungsagentur McCormack, der sie wohlhabend machte und rund um die Welt führte. Vier Jahre nach Innsbruck heirateten Rosi Mittermaier und Christian Neureuther, die sich bereits von (Ski-)Jugend an kannten – eine Traumhochzeit des deutschen Sports. 1981 kam Tochter Ameli zur Welt und 1984 Sohn Felix. Der hat zwar noch keine olympische Goldmedaille gewonnen – aber vielleicht schafft er es ja bei den Spielen 1918 in Südkorea. 42 Jahre nach Mama.
,Und vielleicht ist es ja in zwei Jahren dann soweit’, sinnierte der Brenninger, ,dass die Fans singen werden’:
„Felix, Felix noch einmal…“
Jupp Suttner
Wer den Brenninger nicht kennt: Der ist 47 Jahre jung, 1,77 m groß, bisweilen bis zu 80 kg schwer und ein typischer Freizeitsportler. Er ist auch oftmals auf Reisen. Was er unterwegs und zu Hause erlebt, lesen Sie jeden Dienstag auf Reise-Stories.de – niedergeschrieben von Jupp Suttner. Wobei schon allein am Alter ersichtlich ist, dass der Autor NICHT der Brenninger ist. Wer genau hinter B. steckt – wer weiß das schon…