ABGEFAHREN: Der Rosskopf und die Verzaubernde

Was für ein Drama! Nun gut, keines das die gesamte Welt betrifft. Doch die kleine Welt des Reporters. Der oben am Berg den Ausstieg aus dem Sessellift verpennt hat. Und nun eine blitzschnelle Entscheidung zu treffen hat. In der nächsten Zehntelsekunde muss sie fallen. Denn der Abstand zwischen Sessel und Schnee wird immer größer: Abspringen aus nunmehr bereits 2 Meter Höhe? Oder sitzen bleiben – und mit dem Lift wieder gen Tal schaukeln? Der Reporter…

________________________________________________

ABGEFAHREN! Die Ski-Reporter von Reise-Stories.de unterwegs im Schnee. Jede Woche wieder! Um aktuell zu schildern, wie es auf den Pisten von ……. gerade aus sieht.  Dieses Mal: So war es letzten Freitag und Samstag, 5. und 6. Februar 2016,  in Ratschings und Sterzing (Südtirol).

Foto oben:

Der Rosskopf und Ratschings-Jaufen sind für Snowboarder (Model auf unserem am 5. Februar 2016 entstandenen Foto: der Sepp) wahre Paradiese – denn in diesen Skigebieten existieren so gut wie keine flachen Ziehwege, bei denen Boarder abschnallen und zu Fuß weiter stapfen müssen.

Fotocredit & Copyright aller Schnee-Fotos dieses Reports:

Jupp Suttner

Fotocredit & Copyright aller Hotel-Fotos dieses Reports (mit Ausnahme jener von Jupp Suttner gemachten Aufnahmen):

Hotel Family & Spa Almina Ratschings (Südtirol) www.almina.it / Office One Auer (Österreich) www.oneauer.com

Text:

Jupp Suttner

__________________________________________________

… der Reporter – springt! Löst sich mit der Behändigkeit eines Känguruhs aus dem Sesselliftsessel – und landet mit der Grazie eines Nilpferds auf dem Boden. Platsch! Und schon liegt er auf dem Rücken, hilflos wie ein Käfer à la Kafka – und die nächsten Aussteiger fahren mit ihren Skiern haarscharf an ihm vorbei. Dann ist der Liftaufseher zur Stelle, stellt den fremden Trottel auf die Beine, der sich peinlich-demütig dafür bedankt und schwört, dass ihm derlei noch nie in seiner jahrzehntelangen Ski-Karriere passiert sei. Der Liftmensch am Rosskopf in Sterzing nickt freundlich und denkt sich vermutlich: „Das sagen sie alle, diese Tolpatsche.“

Und wer ist schuld? Die Tiefschnee-Sucht. Wir werden auf sie zurück kommen. Jetzt jedoch erst einmal ins Jaufental. Jenes findet man folgendermaßen: Die

RSFotoRatschingsTiefschneespur
Tiefschnee-Spur in Ratschings am 6.2.2016. Foto: Jupp Suttner

österreichische Autobahn via Innsbruck über den Brenner hinüber nach Italien, dort die erste Ausfahrt Sterzing ’raus – und schon ist man da. „Rau aber herzlich“, bezeichnen Südtiroler Insider das nur 8 km lange Jaufental, welches erst seit 1959 eine Straße besitzt. Denn rau ist der Start dieses Autoweges – eine wilde Klamm und enge Kurven entlang des scharf strömenden Jaufenbachs. Doch bald schon wird die Landschaft ein wenig weiter und übersichtlicher und man denkt nicht mehr ganz so intensiv an die TV-Serie Twin Peaks, sondern gelangt zu besagter Herzlichkeit. Nämlich zum Personal des Hotels Almina.

RSFotoRatschingsAlminaDirektorin
Immer bester Laune: Almina-Direktorin Giulia Obino. Foto: Jupp Suttner

 

Das Almina im Gemeindegebiet von Ratschings liegt auf 1.100 m Höhe, ist unsere Unterkunftsstätte während der Aufenthaltsdauer und wir sind durchaus gespannt auf dieses 4****-Sterne-Haus mit seinen 62 Zimmern, denn es wurde nach einem rigorosen Umbau erst vor kurzem – am 23. Dezember 2015 – neu

RSFotoRatschingsAlminaAussen

eröffnet. Vorher hieß es Alpenhof und es stehen tatsächlich noch Gebäudeteile davon – irgendwo und irgendwie versteckt im nunmehr Almina geheißenen Trakt. Almina ist ein weiblicher Vorname, der sowohl in Wales als auch in der Türkei und in arabischen Ländern verwendet wird. Er bedeutet unter anderem: „Die Verzaubernde“.

Zauberhaft auf alle Fälle die beiden Skigebiete, die jeweils zehn Autominuten vom Hotel entfernt liegen (es fährt auch ein kostenfreier Ski-Bus, der aber 25 Minuten benötigt, Haltestelle fast direkt beim Almina):

Gebiet 1: Bereits erwähnter Rosskopf in Sterzing.

RSFotoRatschingsWeiteHaenge
Unendlich weite Hänge in Ratschings. Foto: Jupp Suttner

 

Gebiet 2: Ratschings-Jaufen.

RSFotoRatschingsRosskopfAussicht2
Betörende Aussicht am Rosskopf. Foto: Jupp Suttner

Beides keine Riesen:

Ratschings besitzt 25 Pisten-km zwischen 1.300 und 2.150 m Höhe, Tagesskipass 43 Euro.

Rosskopf weist 17 Pisten-km zwischen 950 und 2.200 m Höhe auf, Tagespass 37 Euro.

Doch für beide gilt: Klein, aber fein. Nicht nur für uns. Sondern wohl für viele. So erfahren wir auf einer Ratschinger Hütte von einer Rostockerin:

„Wir sind ein Skiclub und fahren jedes Jahr mit 35 Leuten mehr als 1.300 Bus-km von der Ostsee hierher nach Südtirol, weil es uns in Ratschings sooooo gut gefällt! Die Pisten, die Menschen, das Essen, unser Hotel…“

Und verrät uns tags darauf auf einer Rosskopf-Hütte das weibliche Oberhaupt einer hansatischen Familie:

„Wir kommen aus Bremen und sind jedes Jahr hier, weil wir beim Skifahren keinen Rückspiegel benötigen – nie müssen wir hier auf den oftmals fast leeren Pisten Angst um unsere Kinder wegen irgendwelcher Raser haben! Das ist beruhigend.“

RSFotoRatschingsRosskopfAussicht1
Schattenspiel – ein Riesenrad am Rosskopf. Foto: Jupp Suttner

Über das Ratschings-Revier rauschen wir am Freitag. Alle Pisten sind hier – mit einer winzigen Blau-Ausnahme – als Rot deklariert. Rot = mittelschwer = Genuss. Zu letzterem zählt an unserem Test-Tag auch der Schnee: Er ist von neuester Art, frisch gefallen vor ein paar Tagen. Und weil hier keine absoluten Powder-Freaks unterwegs sind, sondern überwiegend jene Spezies Skifahrer, die sich an ewig weiten und ideal geneigten Autobahnen erfreuen, sich also niemals pist-off wagen  – gibt es an diesem Freitag im Tiefschnee direkt neben den Pisten noch etliche Möglichkeiten, neue Spuren in den weißen jungfräulichen Teppich zu ziehen.

Und obwohl es ein kleines Skigebiet ist – lernen wir nur die Hälfte etwa kennen: Weil wir immer und immer und immer wieder nur die beiden gleichen Tiefschnee-Trassen befahren – en Traum! Der die Oberschenkel zum Glühen und den Magen zum Knarzen bringt. Trotzdem wählen wir auf der  Wasserfallalm zum späten Mittagessen nur eine laut Menükarte „Vorspeise“ – Hirtenmaccheroni für 8,50 Euro. Freilich erweist sich die Portion als absolute HAUPTspeise, an der sich sogar zwei laben könnten. Es muss ein ziemlich großer Hirte gewesen sein, den sie hier verarbeiteten.

Hirtenmaccheroni (mit Ragù Bolognese und sehr viel Käse) sind ein derart kräftiges  Gericht, dass uns am Abend die elegante leichte Küche des Almina außerordentlich entgegen kommt. Fünf Gänge voller Südtiroler-Italo-Genuss, die jedoch trotz kernigen Traditionsspeisen zwischendurch wie Schlutzkrapfen etc. nicht allzu sehr belasten. Man könnte diese Devise auch auf das gesamte

RSFotoRatschingsAlminaJuniorSuite

Hotel  übertragen: Alles ist luftig und offen und frei atmend – viel freundlich wirkendes Holz, insgesamt eine architektonisch lichte Unbeschwertheit, die den ersehnten Durchschnauf-Raum im Gemüt schafft.

Am Samstag dann schließlich der Rosskopf. Welch’ herbe Enttäuschung zuerst: total grüne Wiese – keine Talabfahrt möglich! Doch oben an der Bergstation, nach dem Verlassen der Gondel – welch’ Euphorie plötzlich! Denn:

Erstens:

Der Rosskopf ist zwar noch kleiner als Ratschings – weist dafür aber zwei exzellent rassige (rote) Abfahrten mit Kurven, Mulden, Kuppen und Kehren aus, die einfach das Herz beglücken und bei jedem Schwung jauchzen lassen.

Zweitens:

Die Tiefschneehänge am Rosskopf sind NOCH zahlreicher vorhanden und vor allem leichter auffindbar als jene von Ratschings – ein Paradies für unsereins! Also für Pist off-Mittelklassler, die im Deep Powder eher den im Großen und Ganzen lawinensicheren Genuss als den abenteuerlichen Hochgebirgs-Thrill suchen. Wer sich als Nur-Pisten-User einmal gefahrlos an Tiefschnee versuchen

RSFotoRatschingsRosskopfTiefschnee
Direkt neben den Rosskopf-Pisten – fabelhafte Pist-off-Hänge. Foto: Jupp Suttner

möchte – nichts wie hin zum Rosskopf! (Rund 215 Auto-km, also 2,5 Stunden, von München entfernt.)

Was die Rosskopf-Runs betrifft: Als unser absoluter Favorit entpuppte sich eine Strecke namens „Favorit“ – bei der man auch auf die in ausgezeichneter Sonnenlage gelegene und 40 Jahre alte Furl-Hütte trifft.

RSFotoRatschingsRosskopfBrettljausn
Brettljausn vor der Furl-Hütte. Foto: Jupp Suttner

Dort orderten wir zur geschmacksintensiven Hauswurst (wird dem Skigebietsnamen zufolge doch nicht etwa vom Ross sein?) samt Sauerkraut auch noch Blattlan (10 Euro das gesamte Gericht). Blattlan sind an diesem Samstag ein MUSS für uns, denn diese Südtiroler Spezialität erhält man immer seltener kredenzt. Es handelt sich dabei um einen mit Kartoffeln gefüllten und

RSFotoRatschingsRosskopfBlatterl
Blattla, Kraut und Hauswurst auf der Furl-Hütte. Foto: Jupp Suttner

in Öl gebackenem Blätterteig („Blattla“), der auf der Zunge wie von selbst zergeht.

Und anschließend den Geist zu neuen Taten erweckt. Weshalb der Reporter die Kumpel der Clique, die noch ein Viertel Roten begehren, auf der Hütte zurück lässt  und sich wieder auf Ski begibt. Alleine den Dreier-Sessel besteigt, der so alt zu sein scheint, dass vermutlich noch Hannibals einst hier durchziehende Elefanten mit ihren Rüsseln die Lift-Masten errichteten. Und bergauf fährt.

Oberhalb des Ausstiegs ziehen Tiefschnee-Könner gerade eine frische Linie. Fasziniert starrt der Reporter empor. Bis ihn ein Schreck durch fährt – den Ausstieg verpasst! So dass er… – siehe Beginn dieser Geschichte…

Natürlich wird er die ihm widerfahrene Peinlichkeit in den nächsten Tagen seiner Mutter erzählen. Der geschah als junger Ski-Lady ähnliches. Gleichfalls den Moment des Ausstiegs verpasst. In der Schweiz. „Spriiing!“, schrieen die anderen damals, „spriiiing!“. Sie sprang. Und stand – im Gegensatz zu ihrem Sohn – den Sprung. Wenn auch nicht gerade federnd. Sondern mit durchgedrückten Beinen. So dass aufgrund des Aufpralls sämtliche acht Skischuhschnallen mit einem einzigen Ruck sich öffneten und in die Höhe schossen. Eine Szene, von der noch jahrelang bei den Freunden die Rede war.

RSFotoRatschingsAlminaSkipuppe
Faschings-Skifahrerin im Almina-Foyer. Foto: Jupp Suttner

Nun jedoch schweigen wir – im Ruheraum des 2.000 qm großen Wellness-, Beauty- und Spa-Bereichs des Almina. Schön ist die gesamte Oase geworden! Mit Wandbemalungen, die den Blick auf toskanische Zypressen und das Mittelmeer lenken, was dem Auge ausgesprochen wohl tut. Doch weist der Wellness-Bereich auch einige Mängel auf, die garantiert noch behoben werden:

Nur 1 Saunahandtuch pro Gast (wer ein weiteres wünscht, muss extra an der Rezeption eines anfordern), zu kleine Finnische Sauna (gesteckt voll bei nur fünf Leuten schon), Nichtfunktionieren des Wasserfalls während unseres

RSFotoRatschingsAlminaWasserfall
Auf dem FOTO funktioniert der Waserfall…

gesamten Aufenthalts, teilweise „Außer Betrieb“ der Infrarot-Anlage – und ein ewig Lärm bereitender Whirlpool, dessen Wassertemperatur zudem so gering ist, dass es absolut nichts ist mit der wohligen Wärme, die man nach einem Skitag sich ersehnt. Prima hingegen: eine Gegenstromanlage im Pool, die es ermöglicht, ein richtiggehendes Schwimmtraining zu absolvieren.

Den selig spielenden Kindern im Miniclub

RSFotoRatschingsAlminaKinderclub

und den begeistert kreischenden Kids in der Wasserrutsche des Aquaparks (der ganz wo anders im Haus errichtet wurde, fernab des Sauna-Nacktbereichs) sind derlei Details absolut schnuppe. Für italienische Bambini (50 % der Gäste des als Family & Spa firmierenden Almina entstammen dem eigenen Land) und nichtitalienische Mädchen und Buben offenbart sich in diesem Haus ein wirklich wunderbares Spiel- und Vergnügungs-Land.

RSFotoRaschnitzAlminaVorDemBett
Die Kids sind derweil im Miniclub…

Und den Erwachsenen? Bietet das Almina (70 bis 140 Euro pro Person und Nacht inklusive ¾-Pension je nach Saison und Zimmer bzw. Junior-Suite, Tiefgarage kostenlos) einen Ruhepunkt inmitten einer unglaublich stillen und philosophiefördernden Landschaft – und einen idealen Ausgangspunkt zu zahlreichen Outdoor-Aktivitäten: Winterwandern, Rodeln, Schneeschuhstapfen, Skitouren und Skilanglauf im nahen Ridnauntal – sowie natürlich Carven, Wedeln und Cruisen in Ratschings und am Rosskopf.

Wobei nächste Saison sicherlich auch der Skiraum mit einer Skischuhtrockner-Anlage ausgestattet sein wird. Bei unserem Besuch bot diese Örtlichkeit nicht einmal eine Sitzgelegenheit zum An- und Ausziehen der Skistiefel. So wie wir auf dem Zimmer – in welchem das WLAN während unseres Besuchs so perfekt funktionierte wie in kaum einem der vielen Hotels, die wir in den letzten Monaten erprobten – Schuhlöffel und Schmutzwäsche-Bags vermissten. Derlei vor zu finden sollte zwar üblicher 4****-Sterne-Standard sein – aber die Absenz erscheint verzeihlich, denn man kann halt rund 40 Tage nach Eröffnung noch nicht supersupersuperperfekt sich präsentieren.

Dennoch würden wir am liebsten gleich am morgigen Montag wieder hin düsen, zum Almina – denn für heute Nacht sind gewaltige Schneefälle für Südtirol prophezeit! Und nach dieser weißen Bescherung die Deep Powder-Runs des Rosskopf zu befahren – dürfte eine Schwebe-Lust ohnegleichen sein. Wobei es dann nichts Blöderes gäbe als mit dem Sessellift hinauf zu düsen – und gleich wieder hinab. Weil man den Ausstieg verpasst hat. Was manchen Menschen durchaus passiert.

Jupp Suttner

Infos über die beiden getesteten Skigebiete: www.rosskopf-ladurns.it , www.ratschings-jaufen.it

Infos über das erwähnte Hotel: www.almina.it

Infos über die Orte: www.ratschings.info , www.sterzing.com

Infos über die Provinz: www.suedtirol.com

 

Written By
More from NEWS Redaktion
Biathlon Weltcup Jubiläum und Trainingscamp im PillerseeTal
Der Biathlon Weltcup in Hochfilzen feiert von 13. – 16. Dezember sein...
mehr lesen
Leave a comment