Als am 28. 12.2016 die Nachricht kam, war Gerhard Walter in Galtür. Als am 29. 12. 2016 das Telefon nicht stillstehen wollte, und so ziemlich alle Schweizer Medien um Interviews ansuchten, war er auf den Pisten. Den Skipisten von Galtür wohlgemerkt. Er musste oftmals abschwingen und reden, den Blick immer südwestwärts in die Berge gerichtet. Es sind nur ungefähr 50 Kilometer Luftlinie ins Engadin – dorthin, wo Gerhard Walter ab 1.5.2017 der CEO der Engadin St. Moritz Tourismus AG werden wird.
_________________________
Foto oben: Gerhard Walter.
Am Tag der „Verkündung“. Die Nachricht erreicht Gerhard Walter zuhause in Galür auf den Pisten!
Text: Nicola Förg
_________________________
Schon nach wenigen Stunden überschlugen sich die CH-Zeitungen: „Ein Ösi amtet in St. Moritz“. Ein Ösi, genau – und die Frage lautete oft: Können die Schweizer keinen Eidgenossen finden, der Tourismus kann? Die Antwort liegt in Galtür, liegt im Hochgebirge, das ist die Heimat von Gerhard Walter, das ist seine Seelenlandschaft. Ganz im hintersten Bergeck von Tirol, da wo man sommers über die Bieler Höhe mit dem Vorarlberger Montafon flirtet, leben ruhige Menschen, klare Menschen, deren Welt dann weiter wird, wenn sie aufsteigen auf die Gipfel. Dorthin, wo man einen weiten Horizont hat. Gerhard Walter ist ein Bergmensch und es ist diese Kultur, die auch in St. Moritz den Ausschlag gegeben haben dürfte. Walter ist kein Ösi, Walter ist Bergler. Und Perfektionist. In der langen Vorbereitung auf den Posten, zog er sich zurück. Lange, intensiv. „Er moritzelt wieder“, lächelte seine Familie. Er hat erfolgreich gemoritzelt…
Einst, in den 1990er Jahren war er Tourismusdirektor in der Heimat, ein junger Wilder, der auch aneckte, dessen Galtür Prospekt ganz anders war, als das, was sonst so in Tirol gerade en vogue war. Dunkle Bilder – man dachte es handle sich um Überlebende eines Murenabgangs – dazu kryptische Texte. Der Berg, Und du. Am End. Die Sehnsucht. Ja ähm, das war der Trend, das war der Sprachduktus der Visionäre wie Günther Aloys im benachbarten Ischgl, das immer das kleine Galtür überstrahlte. Und dann kommt da so ein einheimischer Bursch, kreiert ein Logo – das Galtür überdies bis heute hat – und macht einen Prospekt, der froh macht und durchaus Informationen enthalten durfte.
Walter reüssiert und dann kommt der Februar 1999. So schön er ist, Schnee ist auch Gefahr. Spätestens seit dem Lawinenwinter 1999, dem Jahr der Galtür-Katastrophe, ist nichts mehr so wie zuvor. Schon ab dem 20. Januar gab es Stürme, deren Niederschlagsfronten an der Nordseite der Alpen zu ergiebigen Schneefällen führten. Im Raum Galtür lagen bis zum 23. Februar etwa 4 Meter Neuschnee und damit im Februar etwa sechsmal so viel Schnee wie gewöhnlich! „Zum Schneefall sammelten sich weit extremere Schneemengen im Anrissgebiet der Unglückslawinen, was mit der Topographie des Bergkammes zu tun hatte, der auf seiner Luvseite flach zu einem Plateau abfällt. Der starke Wind konnte gewaltige Mengen Schnee aus diesem Plateau auf den Leehang schaufeln, darunter liegt Galtür“, erinnert sich Albert Leichtfried, nicht bloß einer der besten Eiskletterer weltweit, sondern auch studierter Meteorologe, dessen Diplomarbeit die Schneedeckenmodellierung zum Thema hatte. Die Lawine kam, begrub den Ort unter sich! Keinen Architektur Furunkel Hotelburgen Ort wie Ischgl, sondern das alte bescheidene Walserdorf, jener Vorfahren, die wahrlich wusste, wo man siedelte! Und doch ging es unter. Fast alle Familien verloren Angehörige. Retter und Rettungsflieger riskierten ihr Leben und dann kam die Weltpresse. Wenig Anteilnahme, dafür aber Fragen über Fragen: Wie entschädigen Sie die Gäste? Es lag ein fieser Tenor über den Artikeln, so als ob ein toter Einheimischer anders zähle als ein toter Tourist. Den Gast trag es ja mitten hinein in die schönste Zeit seines Lebens…. Gerhard Walter wurde auf die Weltbühle katapultiert, reagierte souverän, auch kühl, was wieder gegen ihn verwandt wurde – immer wandelte er am Rande der Beherrschung. Ohne Lapsus.
Und wenn heute die Medien brav aufzählen, dass der 1964 Geborene unter anderem Geschäftsführer von Lech-Zürs Tourismus, der Verbund Tourismus GmbH in Wien und 2013 bis 2016 von Kitzbühel Tourismus, dann vergessen sie, dass es Galtür 1999 war, das aus einem pfiffigen und klugen Kopf aus dem Hochgebirge, einen Denker machte, der jede Sekunde wusste und weiß, wie fragil das Leben ist. Der mit einer beängstigen Konsequenz arbeitet, etwas, was nicht alle Arbeitgeber goutieren. Strahlende Kerzen verweisen oft unbarmherzig darauf, wie dunkel die intellektuelle Umgebung ist. Legendär das Ausscheiden in Kitzbühel, entlarvend die Aussagen der Obfrau. Die Obfrau hielt den Abgang nicht für „Beinbruch“ Sie wisse schon, dass sie für ihre strikte Führung bekannt sei. Ob sie ihrem Direktor möglicherweise zu wenig Handlungsspielraum gelassen habe?, fragte Radio Tiril m Frühjahr 2016. Darauf gab es keine Antwort. Aber ein Direktorenwechsel sei jedenfalls „kein Beinbruch“ beharrte Reisch.. Viel wichtiger sei, dass Kitzbühel „an guaten Schnee hat, und an Haufen G‘schäft“….
Ja nun, der Schnee hält sich zurück und Walter geht dahin, wo man seine Kultur des Understatements zu schätzen weiß: In Reich von „Top of The World“, das sicher neue Impulse brauchen kann!
3 kurze Fragen an Gerhard Walter
Reisestories: Im Dezember 2016 schrieb die FAZ einen eher vernichtenden Abgesang auf St. Moritz. Betreten Sie ein sinkendes Schiff?
Walter: Nein! St. Moritz und das Engadin haben als Urlaubsdestination eine über 150-jährige Geschichte im Tourismus. Bei einer solchen Tradition ist es normal, dass es manchmal ein Auf und Ab gibt. Trends und Urlauberverhalten ändern sich und deshalb ändern sich manchmal auch Reiseströme. St. Moritz und das Engadin werden auch die Situation meistern und sich für die Zukunft gut aufstellen.
Reisestories: Es gibt auch viel Vorschusslorbeeren. Macht ihnen das Angst?
Walter: Nein. Diese Vorschusslorbeeren sind motivierend. Vorschusslorbeeren sind ja auch ein Zeichen von Erwartungen und Vertrauen in meine Person.
Reisestories: Alle reden vom USP. Warum ist das Engadin einzigartig?
Walter: Das Licht, die Berge und die Natur und die über 150-jährige Tradition im Tourismus sind die Basis für eine einzigartige schillernd und gleichzeitig inspirierende USP.