Manche mögen’s eisig

Baden im Sommer? Das kann Jeder. Profis springen im Winter in die eiskalten Fluten. An der polnischen Ostsee treffen sich Mitte Februar Unerschrockene aus der ganzen Welt zum ‚XIV. Internationalen Treffen der Eisbader‘.

Text & Fotos: Katrin Groth

Kühle drei Grad zeigt das Thermometer, der Wind pfeift. Zeit für einen Strandspaziergang an der Ostsee, dick eingepackt in Wintermantel, Schal und Mütze. Könnte man meinen. Stattdessen: Menschen in Badehose und Bikini. Mitten im Februar hüpfen sie über den Strand. In Bast-Röckchen, Priester-Kutte oder Neptun-Kostüm.

Nach einer Parade durch den Ort machen sie sich nun mit Gymnastik warm. Und dann geht es schnell. Tausende Füße tappeln über den Strand. Wer noch zögert wird einfach untergehakt. Frauen in blauen Matrosenanzügen, Männer in Schweinchen-Anzug oder verkleidet als Bergmann. Unter lautem Gejohle stürzten sie sich in die eiskalten Fluten.

Mann im Neptun-Kostüm wagt den Sprung in die Ostsee.
Neptun wagt den Sprung ins kühle Nass.

Winterbaden wird in Mielno richtiggehend zelebriert. Das Seebad an der polnischen Ostseeküste ist bekannt für seine Badekultur. Aber nicht bei Sonnenschein und 25 Grad. Hier badet man lieber mitten im Winter.

Fast 2000 Eisbader, in Polen Walrösser genannt, waren es im letzten Jahr. Aus Finnland, Schweden, Deutschland und natürlich aus Polen. Denn das „Internationale Treffen der Eisbader“ hat Tradition. Seit 2004 gehen in dem kleinen Örtchen Unerschrockene mitten im Winter baden. Es ist eines der größten Winterbade-Events im Ostseeraum.

Salz und mehr

Eine halbe Stunde östlich von Mielno liegt ein anderes Bad. Ein Kurbad. Kolberg, bekannt vor allem für heilenden Moorschlamm und jodhaltige Luft. Und die salzhaltigen Quellen, die der Stadt ihren Ruhm als Heilbad einbrachten. „Sie sind mit sieben Promille doppelt so salzig wie die Ostsee“, erklärt Stadtführerin Anna Mozdzynska das Geheimnis.

Angeblich geht sogar die Idee des „Kurens“ auf Kolberg zurück. Schuld soll Hans Heinrich von Held sein. Der Mann war aber nicht zur Erholung an der Ostsee, sondern zur Strafe.

Historisches Foto von Baden in der Ostsee.
Baden in der Ostsee vor über hundert Jahren.

Der preußische Zollbeamte war mehrere Monate in der örtlichen Festung inhaftiert. Angeblich, weil er sich kritisch über die Bürokratie seiner Zeit geäußert hatte. Die Haft nutzte der Beamte – für eine Kur. Die gefiel ihm so gut, dass er überzeugt war: Seine neugewonnene Gesundheit verdanke er „den Wellen der Ostsee“.

1804 gab er deshalb ein Buch über die gesundheitsfördernde Wirkung Kolbergs heraus. Es trug den knackigen Titel „Ueber das Meerbad bei Colberg und die beste und wohlfeilste Art, sich desselben mit Nutzen zu bedienen“ – und lockte die Menschen in Scharen an die Ostsee.

Den Grundstein für Kolbergs medizinische Kurtradition legten Mitte des 19. Jahrhunderts zwei Ärzte: Dr. Moses Behrend und Dr. Hermann Hirschfeld, Vater des Arztes und Sexualforschers Magnus Hirschfeld. Sole- und Seebäder wurden eröffnet, Kurhäuser errichtet.

Doch Kolberg will sein angestaubtes Kur-Image, das lange nur älteres Publikum anlockte, verwandeln. Wellness-Hungrige Städter machen inzwischen die Hälfte der Besucher aus, erzählt der örtliche Hoteldirektor Adam Hok.

Besteigt man den Turm der imposanten Marienbasilika, bekommt man eine Ahnung. Junge Familien und Paare bummeln in der Wintersonne die Strandpromenade entlang, die Generation 60+ peest an Nordic Walking-Stöcken den rund drei Kilometer langen, neu aufgeschütteter Ostseestrand entlang. Einmal Leuchtturm und zurück. „Die Stadt hat sich in den letzten 18 Jahren sehr verändert“, sagt Hok. Der Altersdurchschnitt auf Kolbergs Straßen habe sich sichtbar verjüngt, erklärt er.

Allem Wandel zum Trotz, eine Tradition bleibt: Salzgurken. Ein echter Geheimtipp, erzählt Anna Mozdzynska. Und Spezialität der Kolberger Hausfrauen: Gurken, eingelegt im Kolberger Salzwasser.

XIV. Internationales Treffen der Eisbader vom 10. bis zum 12. Februar 2017 statt. Infos: Touristeninfo Mielno www.mielno.pl oder www.polen.travel

Ostsee-Strand von Kolberg in Polen.

Unterstützt wurde die Reise vom Polnischen Fremdenverkehrsamt.

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