Die Dolomiten 4.0

Die Dolomiten  4.0 | Corvara – Alta Badia – Dolomiti Superski

Cigar Lounge, Café & Shisha Lounge, VIP Lounge. Das ist nicht das Angebot eines Hotels in der Karibik, das sind drei Event-Locations in den Alpen. Früher hätte man Hütte oder Baita dazu gesagt. Aber auf dem liebsten Sportgerät der Europäer ist es nicht mehr so wie früher. Skifahren wird zum Lifestyle. Und Dolomiti Superski muss dem Rechnung tragen, oder will dem Rechnung tragen, erfuhren wir auf der Pressekonferenz, natürlich in der Boe-Lounge hoch oben über Corvara auf dem Piz Boe. Vizepräsident Andrea Varallo, Generaldirektor Thomas Mussner und der frisch verpflichtete Marketingdirektor Wolfgang Sparer zeigten die neue Welt, die, wenn man es auf den Punkt bringen darf, aus einem digitalen Netz besteht, das über die 12 Skigebiete in den Provinzen Südtirol, Trentino und Belluno geworfen wird, aus dem der Skiverbund besteht. Dieser umfasst  450 Lifte, 1200 km Skipiste und 28 Snowparks in etwa  50 Ortschaften

Auf dem Piz Sorega

Nun geht es nicht mehr nur um das gemeinsame Vermarkten von Skipässen, sondern Sparer, der an der Bocconi-Universität in Mailand gelernt und bei Loacker und Porsche die Weihen des strategischen Marketings empfangen hat, hat viel mehr als das im Blick. Er will die „Datenerfassung von der Chipkarte entkoppeln“, einen Onlineshop aufbauen, die Abhängigkeit von den übrigen  Anbietern im Netz reduzieren und dem loyalen Skifahrer mit „My Dolomiti“ eine digitale Heimstatt bauen, inclusive Performance Check und 3D Superski – App. Interaktive Skikarten in 2-D bieten eine Übersicht über die jeweiligen Skigebiete, mit „mouse over“ sind sie direkt am Bildschirm abrufbar, wenn man einen dabei hat.

Natürlich, „re-invent my company“, mit diesem Vorsatz treten viele Heißsporne an und prallen dann mit der Wirklichkeit zusammen. Aber oft, so auch hier, zwingen unbestreitbare Notwendigkeiten zu neuen und radikalen Überlegungen, alleine die kleinen Skipässe kosten in der Herstellung 4 Millionen Euro jährlich. Das Ersetzen zahlreicher Lifte, die ihr technisches Lebensende erreicht haben, durch neue, moderne Anlagen, sinnvolle Erweiterungen und Verbindungen zwischen den Skigebieten gehen ins Geld. 70 Millionen Euro hat Dolomiti Superski im letzten Jahr investiert.

Die Hütte Tamlà in Santa Croce

Das Beschneien der Pisten kostet, ihre Pflege mit den Pistenraupen und vieles mehr muss bezahlt werden, vom Personal nicht zu reden. Alles muss letztendlich der Gast tragen, neben den Ausrüstungs-, Anreise-, Hotel- und Bewirtungskosten. Das ist ein sich auf Bergeshöhen aufbauender Betrag, und wenn man davon auch nur die Margen der Online-Agenturen streichen kann, hilft das. Denn der Wettbewerber des Wintersports und von Dolomiti Superski heißt Pauschalangebot im Süden, am Meer und unter der Sonne und kommt mit Preisen von 600 Euro pro Woche all inclusive daher.

Foto ganz oben: Anbetung einer angeleuchteten Flasche

Da muss man sich schon etwas einfallen lassen. Wellness ist fast schon ein Standard-Angebot der Hotels. Das Tofana in St. Kassian bietet einen Wirlpool auf dem Dach, Sauna mit Bergblick, dazu ausgefallene Massagen. Das La Perla in Corvara hat im Keller dem Wein Sassicaia eine Kapelle eingerichtet, wo der Gast vor der wohl ältesten Flasche dieses Weines auf die Knie gehen kann, wenn diese wohl auch inzwischen aus Essig besteht. Im Restaurant kann er die edelsten Flaschen des Zellgiftes für 14 000 Euro bestellen, auf eigenes Risiko, was drin ist.

 

Das Problem ist nur, dass der „loyale“ Ski- oder Snowboardfahrer vermutlich nicht in teuren Restaurants Wein oder in stylischen Lounges teure Drinks schlürfen, sondern in Hütten wie der Baita Saslonch in Ciampinoi oder der Baita Daniel an der Seceda Speck vom Brett und einen guten Wein auf den Tisch gestellt bekommen will. Und gerne auch auf Internet-Erreichbarkeit für ein paar gemütliche Stunden verzichtet. Doch für diesen Gast ist bei Preisen der  Skipässe über 50 Euro pro Tag die Schmerzgrenze nahe.

Foto ganz oben + rechts:
Speckplatte in der Baita Daniel

Das Dilemma ist evident. Es gibt zwar Gästegruppen, für die Geld nicht die herausragende Rolle spielt, und Dolomiti Superski hat sie längst mit Erfolg ins Visier genommen. Sie sind auch leichter für Lounges und deren stylisches Ambiente zu begeistern, aber für sie zerrinnt das Weltkulturerbe der Dolomiten zur Kulisse und sie lösen bei den loyalen Gästen Fluchtreflexe aus.

Daniel Irsana in Aktion

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Es bleibt die Frage, was passt, es ist die ewige Frage nach der Identität und ihrem Verlust. Demez Daniel war ein Holzschnitzer, mit Freunden erbaute er die Hütte, die heute von seinem Sohn Samuel und dessen Frau Brigitte geführt wird. Wir versprachen wiederzukommen. Die Vallongia Hütte unterhalb des Langkofel auf der Plan de Gralba wird von René und Annemarie Mussner geführt. Sciare con gusto , Skifahren mit Genuss, was in Alta Badia seit Jahren gepflegt wird, lebt von dem Einsatz der heimischen Köche. Andrea Irsara, Chefkoch in seinem eigenen Gourmethotel Gran Ander in Pedraces,  und  Christoph Pitscheider kochten  für uns  in der Ütia L’Tamá, die in Santa Croce- Heiligkreuz an der Piste liegt, geniale Schlutzkrapfen.  Dessen Bruder konnte nicht helfen, weil  die Familie Pitscheider auch einen Bauernhof hat, von dem das Fleisch kommt. Dort kalbte eine Kuh, und die war wichtiger als eine Journalistengruppe. So etwas passt, und so etwas macht aus Gästen „loyale“ Freunde. Auch wenn es wirtschaftlich und marketingtechnisch vielleicht nicht weiter hilft.

More from Hans-Herbert Holzamer
Dolomiti Superski: Der Blick durch das Kältefenster in die Zukunft
Das letzte Zauberwort aus der Marketing-Welt von Dolomiti Superski, diesem einzigartigen Verbund...
mehr lesen
Leave a comment