Seiser Alm im Winter: Mehr als Ronda, kie und ogsen

Was braucht ein attraktives Skigebiet? Eine bestimmte Höhe für die Talstationen. Das ist auf der Seiser Alm mit 1680 Meter vorhanden. Ein attraktives Panorama, das man aus allen Blickwinkeln gerne betrachtet. Auch da. Lang- und Plattkofel , der Palacciaberg, der Molignon, die Rosszähne, die Fermeda, Sass Rigais, der Naturpark Puez – Geißler, der Sellastock, die Berge des Grödnertales mit der Ciampinoi-Abfahrt und der mächtige Schlern. Hütten mit der berühmt guten Südtiroler Küche? Man muss nur die Tschon Schwaige oder die Tuene Hütte, die Saltner Schwaige Saltria oder die Sanonhütte, Gostner Schwaige oder die Williams-Hütte besuchen, um auch dies bejahend abhaken zu können. Es gibt Skilehrer und einen Skiverleih. Es ist also alles da. Aber keine begeisternden Abfahrten. Denn weiter hinauf geht es nur bis 2200 Meter. Das ist der Goldknopf. Dann kommt schon der Himmel.

Blick auf den Schlern

Darum machen auch viele Skifahrer und Snowboarder einen Bogen um die Seiser Alm. Zu allen Jahreszeiten, sagen sie, ist die Seiser Alm wunderschön. Mit Ausnahme des Winters.
Und das ist auch der Alm Problem, und kaum ein Reisereporter befasst sich mit dem Winter oberhalb von Kastelruth und Seis am Schlern. Eine der schneesichersten Regionen in Südtirol, 20 km nordöstlich von Bozen gelegen, zugleich die größte Hochalm Europas, ist für ambitionierte Skifahrer eine No-go-area. Dabei ist sie von Seis und Kastelruth aus mit Bussen und einer modernen Umlauf-Gondelbahn gut erschlossen. Eine weitere Gondelbahn verkehrt von St. Ulrich in Gröden aus. Mit privaten Fahrzeugen ist eine Zufahrt zur Seiser Alm nur in den Abend- und Nachtstunden gestattet.
Die Verantwortlichen versuchen sich natürlich zu behelfen. Zunächst einmal haben sie die vielen Kurzrutschen zu einer „Skitour Hexen“ veredelt. Sie beginnt und endet an der Bergstation der Seiser Alm Bahn und verbindet das, was man halt fahren kann. Spitzbühllift, Laurinlift, Paradiso-Lift. Und so weiter, einmal im Kreis. Zum Schluss hinauf auf den Puflatsch, Eurolift, und das war`s.

 

Für denjenigen, dem das zu wenig ist, steht in Saltria ein Bus zum Monte Pana bereit, der dorthin bringt, wo es richtige Pisten gibt, nach Wolkenstein und zum Plan de Gralba, in die Gegend der Sella Ronda. Aber dort bemühen sich massenhaft viele darum, den Sella-Stock zu umrunden. Zudem ist es nicht jedermanns Sache, zu bester Tageszeit im Bus zu sitzen.
Dann gibt es noch die Seiser-Alm-Gröden Ronda. Die geht so: Mit dem Bus zum Monte Pana, dann herab nach St. Christina, dort mit der unterirdischen Standseilbahn “Gardena Ronda Express“ zur Talstation des Col Raiser, von dort zur Seceda. Und dann ist man auf einer gigantisch schönen und langen Abfahrt nach St. Ulrich. Zurück zur Seiser Alm geht es mit einem Fußmarsch durch den Ort, dann die Seilbahn hoch, und man kann sich zurück bis zur Seiser Alm schaukeln.
Aber eigentlich kann man sich das schenken. Und wenn Klaus Lage über seine Geliebte singt: „Ihr solltet sie einmal mit meinen Augen sehen“, dann gilt das auch für die Seiser Alm. Man muss nur darauf verzichten, sie mit einem veritablen Skigebiet zu vergleichen. Dann sagt man einfach mal bewusst ja zu einem Gebiet ohne Höhenunterschied, verzichtet auf das Rasen und Höhenmeter-Kloppen. Lasst die Skier oder Boards mal stehen, greift zum Langlaufski, zum Schnee- oder Wanderschuh und lauft! Grandiose Ausblicke auf die Bergwelt der Dolomiten entschädigen für den Verzicht auf den Abfahrtsrausch.

 

Und wer eine Familie hat, wo Kinder erste Versuche auf den Brettern machen, der ist hier in guten Händen. Fern im Wald, oberhalb von Seis, wo das Navigationsgerät sich verabschiedet, liegt direkt unterhalb des Schlern Bad Ratzes, das nur aus einem etwas aus der Zeit gefallenen Hotel besteht. Hier kümmert sich die Familie Scherlin aufmerksam um die großen Gäste, die kleinen fühlen sich bei Sonia und ihren Kolleginnen wohl.
Der Bus hält vor der Tür, und Exkursionen führen in versteckte Ecken der Alm, die selbst den Mitarbeitern im Tourismusamt unbekannt waren, wie zur Hartlalm, die im Märchenschlaf lag. Aber hier zeigte sich uns bereits der Frühling mit Enzian, Anemonen und Steinröschen. Hütten und Ställe, an denen wir vorüber kamen, belegen, dass die Seiser Alm seit Urzeiten bewirtschaftet wird. So schreibt Marx Sittich von Wolkenstein in seiner „Tiroler Landesbeschreibung“ :„Es ligt auch ab den dorf Castelreudt die allerschonische und grosse alm, so man nit jr gleichen in landt findt, genant die Seysser Almb, darauf man jarlichen in sumber in die 1.500 kie [Kühe] und bey 600 ogsen [Ochsen] erhalten werten.“
Wer natürlich viel Geld in die Skipässe investiert hat, und überrascht feststellen muss, dass die „Mobilkarte“ nicht für den Bus zum Monte Pana gilt, den interessieren die kie und ogsen der Seysser Almb herzlichen wenig. Aber zum Trost: Wer es bei seinen Exkursionen in die „richtigen Skigebiete“ bis drei nicht schafft, den Nachwuchs abzuholen, Sonia ist auch um vier noch da.

Information:
www.seiseralm.it

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