Quirliger Skiriese im Zwergenreich

Ex-Ski-Weltcupfahrer Florian Eisath baut Carezza Dolomites im Eggental behutsam als Familien-Skigebeit aus; Foto: Heiner Sieger

Der Südtiroler Florian Eisath war mehrfacher Europacup-Sieger und italienischer Meister im Riesenslalom. Seit seinem Karriere-Ende im März 2018 plant er die touristische Weiterentwicklung seiner Heimat – mit zukunftsweisenden Ideen.

Es war einmal ein mächtiger Zwergenkönig. Ihm gehörte der wunderschöne Rosengarten in den Dolomiten, der sich nach der volkstümlichen Überlieferung unterhalb des Gipfels des gleichnamigen Felsmassivs befunden haben soll. Doch das ist lange her. Einer, der heute dort das Sagen hat, ist der Ex-Skirennläufer Florian Eisath. Der mehrfache Europacup-Sieger und italienische Meister im Riesenslalom, wuchs in Carezza, wie die Region am Südtiroler Karerpass heißt, im elterlichen Ski- und Wanderhotel Hotel – der Moseralm – auf. Seit seinem Karriere-Ende im März 2018 ist der 34-jährige Geschäftsführer der Liftgesellschaften und der Marketinggesellschaft Carezza Dolomites.

Florian Eisath beim Weltcup-Rennen in Alta Badia, Foto: Elvis

Während seiner Profizeit musste Florian in rasendem Tempo steile Pisten und schnittige Kurven meistern. Doch die Herausforderung vor der er jetzt steht, wird ihm weit mehr abverlangen. Ein Spagat nämlich, der es in sich hat. Denn seine Heimat, in der sich schon Berühmtheiten wie Kaiserin Sissi, Schriftsteller Karl May, Bergfex Luis Trenker und Premierminister Winston Churchill erholten, ist das letzte noch „entwickelbare Dolomiten Resort“.

Im Winter hat das Skigebiet weit mehr Lift- und Pistenkapazität im Vergleich zu den verfügbaren Gästebetten. Deshalb gilt Carezza unter Kennern auch immer noch als Geheimtipp für Genuss-Skifahren. Aber genau das bedroht auch die Wirtschaftlichkeit seiner Bergbahnen. Im Sommer dagegen leidet die Natur der Region unter Autokarawanen. Denn die „Große Dolomitenstrasse“ durchschneidet eine der schönsten Landschaften der Erde, seit zehn Jahren auch Unesco-Welterbe. Sie führt von Südtirols Landeshauptstadt Bozen durch das Eggental über den Karerpass und das Fassatal bis nach Cortina D’Ampezzo.

Das Skigebiet unterm Rosengarten ist auch heute noch richtig idyllisch anzuschauen; Foto: Heiner Sieger

„Mein ultimatives Ziel ist es, durch einen verantwortungsvollen Weg unsere Destination zu einer führenden Bergerlebniswelt zu entwickeln, um sie mit gutem Gewissen den nächsten Generationen zu hinterlassen“, sagt Florian Eisath. „Dabei müssen wir auch aus den Fehlern anderer Regionen lernen und die Touristenströme besser kanalisieren.“ (siehe auch das Interview mit Florian Eisath: „Zur Not Dolomitenpässe sperren oder limitieren!“)

Zahlreiche neue Pisten, Anlagen und Angebote für Familien-Skiurlaub

Im Winter funktioniert das schon ansehnlich. Florians Vater Georg hatte bereits 2007 mit dem Ausbau Carezzas zum Familien-Skigebiet begonnen. Das Gelände mit heute mehr 40 Pistenkilometern bietet ein ausgewogenes Verhältnis: sieben Kilometer anspruchsvolle schwarze Abfahrten, darunter eine Weltcupabfahrt, 12 Kilometer rote Pisten für Genießer und 21 Kilometer leichte blaue Pisten. Der Gründer von Technoalpin, dem heutigen Weltmarktführer für Skikanonen, hatte die seit 2003 insolventen Liftanlagenbetriebe gekauft und nach und nach geschaffen. Er war es auch, der Zwergenkönig Laurin zu neuem Leben erweckte und zur Symbolfigur der touristischen Region krönte.

Unterwegs mit dem
Zwergenkönig; Foto: Laurin Moser

Heute begleitet der Zwergenkönig Kinder je nach Alter und Können durch das Skigebiet, das sich vor der Kulisse des Rosengartens erstreckt. Eine liebevolle Kinderbetreuung im „Nani-Land“ an der Frommeralm – Nanis hießen Laurin Zwerge – begeistert schon Zwei- bis Vierjährige fürs Skifahren. Schon bald darauf können sie die König-Laurin-Themenpiste heruntersausen, die die Sage rund um den verzauberten Gebirgsstock erzählt.

Im „Kristallpalast“ bei der Frommeralm tauchen die Skipimpfe ebenfalls tief in das Zwergen-Reich ein. Zwei Kinderländer mit Karussell und Hüpfburg, einem Sagenparcours, der die wichtigsten Verhaltensregeln auf der Piste spielerisch erklärt und ein eigener Kids-Snowpark bieten genügend Raum zum Austoben. Seit dieser Saison tummeln sich Familien auch auf einer Zwergen-tauglichen Rodelbahn, die sich 4,5 Kilometer und 500 Höhenmeter von der Frommeralm ins Tal zieht.

Zukunftsweisende Pläne für die Wandersaison

Die Entwicklung der Sommersaison bereitet dem Ex-Profi allerdings einiges Kopfzerbrechen. Im Gegensatz zu anderen Skiregionen der Alpen verzeichnet Carezza von Mai bis November rund 60 Prozent der Nächtigungen, dazu kommen täglich tausende Autos, die das Postkartenmotiv Karersee ansteuern – und dann weiterfahren.

Im Laurin-Kinderland haben die Kleinen großen Spaß; Foto: Heiner Sieger

Florian Eisath sorgt sich, dass es seiner Region irgendwann einmal so geht, wie einst unter König Laurin, als fremde Ritter den schönen Rosengarten zertrampelten, der den Fuß des einzigartigen Felsmassivs zierte. Laurin hatte einst seine große Liebe, Prinzessin Simhild, entführt, die er in einer Höhle hinter seinem Rosengarten versteckt hielt. Nachdem die Ritter sie befreit und seine Blumen der Liebe zerstört hatten, verfluchte er seinen Rosengarten: „Weder der helle Tag noch die finstere Nacht sollen die Rosenpracht je wiedersehen.“ Die Zeit zwischen Tag und Nacht – die Dämmerung – vergaß Laurin jedoch. Zum Glück – denn wenn sich die Sonne hinter den Gipfeln zur Ruhe legt, glühen die Dolomiten in der Abenddämmerung rosenrot. Das Naturschauspiel ist heute eine Touristenattraktion.

„Die Gäste am Karersee sollen sich die Zeit nehmen, mindestens einen Tag das Gebiet kennenzulernen, das Auto stehen lassen und über Aufstiegsanlagen und Wanderwege im Gebiet bewegen“, lautet Eisaths Vision. Wie genau, dafür hat er bereits konkrete Pläne und weiterführende Ideen. So errichtete die Region bereits im vergangenen Jahr eine Hängebrücke, über die Urlauber in nur 20 Minuten vom Parkplatz am Karersee zum Hubertuslift wandern können, der dann noch weiter in das Wandergebiet rund um den Rosengarten führt. „Die Idee des Klima-Skigebiets, so effizient wie möglich zu arbeiten und mit unserer Umwelt so schonend wie möglich umzugehen, wollen wir auch auf den Sommer übertragen“, lautet Florians Philosophie.

Der alte Laurin-2-er-Sessellift soll im Sommer 2019 durch eine Gondelbahn mit Mittelstation ersetzt werden; Foto: Heiner Sieger

Im Gelände selber möchte er die Urlauber künftig über naturfreundliche Erlebnis-Runden, Leitsysteme und geführte Wanderungen wie Sonnenaufgangs, Kräuter- und Geologie-Wanderungen kanalisieren. Zudem ist ein weiteres Vorhaben bereits in der finalen Genehmigungsphase: Zwei veraltete Sessellifte will er durch eine Gondelbahn ersetzen, die über eine Mittelstation zur Kölner Hütte auf rund 2300 Meter, direkt in eine unterirdische Bergstation unterhalb des Rosengartenmassivs führt. An diesem magischen Ort namens „touch the Dolomites“ mit direktem Kontakt zum Fels soll ein Besucherzentrum im Berg als Kristallisationspunkt und Highlight der Region entstehen.

Dank „Schluckimpfung“ die schwarze Piste meistern

Skifahrer schätzen die Kölner Hütte, die heute auch die Laurin-Lounge beherbergt, ohnehin schon wegen des spektakulären Panoramas über die Bergketten der Alpen und als ausgezeichneten Platz für eine Rast in der Südtiroler Sonne, die in der Region an rund 300 Tagen im Jahr vom Himmel strahlt. Wem angesichts der beiden schwarzen Pisten, die es von hier aus zu bewältigen gilt, die Knie zittern, verabreicht der Hüttenwirt vorab eine „Schluckimpfung“ – einen Zuckerwürfel, eingelegt in hochprozentigen Alkohol, Zitronenmelisse, Minze, Zitronen und Orangen.

Eine lustige Sache: Schluckimpfung auf der Laurin-Lounge; Foto: Heiner Sieger

Das von Florians Vater begonnene Konzept der Kanalisierung zeigt hier ebenfalls seine Wirkung. 2013 baute er eine neue Piste sowie eine Gondel, die von Welschnhofen, dem zentralen Ort der Region, zum Laurin-Lift führt, der dann weiter zur Kölner Hütte fährt. Den Skifahrern beschert das zum Ende des Skitages eine 7,5 Kilometer lange Abfahrt von der Laurin-Lounge bis ins Tal. Dort lässt der Zwergenkönig noch mal herzlich grüßen – sein Rosengarten ist beim Sonnenuntergang zauberhaft in orange-rotes Licht getaucht.

So schön kann er glühen, der Rosengarten des Zwergenkönigs; Foto: Heiner Sieger

www.carezza.it

www.egental.vom

www.moseralm.it

www.rifugiofronza.com

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