Langlauf- und Biathlon-Kurs in Umhausen (Ötztal) – als die Einladung von Ötztal-Tourismus und Genböck PR kam, war ich sofort Feuer und Flamme. Hauptsächlich wegen Biathlon. Die spannenden Rennen verfolge ich jedes Mal am Fernseher. Und jetzt wird es Realität: Skaten und Schießen wie Simon Schempp. Der Wermutstropfen: Stehe das zweite Mal auf Langlaufskiern! Es war und ist nicht mein Ding, auf zwei Latten durch die Gegend zu wandern und deshalb seit Kindestagen alpin unterwegs.
Von Gerhard Fuhrmann
Welche Klamotten soll ich einpacken? In der Einladung steht „Funktionskleidung“. Was ist damit gemeint? Unterziehhosen, Hemd oder Pulli? Ich plündere meine alpine Ausrüstung und stopfe Unterziehsachen, Skihose und -Handschuhe, dicken Pulli und Anorak in die Tasche. Hauptsache warm – das ist für mich funktionell.
Vor der Abfahrt im Navi „6441 Umhausen, Lehgasse 50“ programmieren. Kenne im Ötztal bisher nur Area 47, Aquadome, Sölden, die Gletscher und Obergurgl. Aber Umhausen? Das Display zeigt 2,5 Stunden Fahrzeit und der Ort liegt weit vorne im Tal. Erreiche das Ziel in der vorausgesagten Fahrzeit und die Stimme im Navi lotst mich durch den Ort und dann auf einen Hügel. Dort trohnt ein stylischer, farbenfroher Bau: das 4-Sterne-Hotel Kurzentrum – mein Domizil für die beiden nächsten Tage. In der Lobby meist ältere Leute in Badmäntel. Durch riesige Glasfenster ist die umliegende Bergwelt und das Hallenbad mit Freibecken zu sehen. Dafür keine Zeit. Bald kommen die Veranstalter – Nicole Jäger (Ötztal Tourismus) und Susanne Strätz (Genböck PR) – zur Begrüßung. Bis dahin sollen dann auch die weiteren sieben Presse-Kolleginnen und -Kollegen da sein.
Die komplette Truppe startet mit Kurdirektor Michael Rupp zum Rundgang. „Das Hotel ist fünf Jahre alt und unser Behandlungs-Schwerpunkt basiert auf Radon-Heilwasser, von dem mehr als 200 Millionen Kubikmeter in den Tiefen des Ötztals lagern. Durch das Radongas können wir Therapien gegen degenerative Wirbelsäulen- und Gelenksbeschwerden sowie gegen Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, der Atemwege und der Haut anbieten“ erklärt Michael Rupp und „ein weiteres Highlight ist die Kältekammer, wo bei minus 110 Grad Celsius entzündlich-rheumatische und Wirbelsäulen-Erkrankungen, Arthrosen, chronische Schmerzzuständen und Neurodermitis behandelt werden. Sogar Real Madrid-Star Ronaldo hat eine zu Hause.“ Michael Rupp schaltet die Kühlung an und schickt uns – angezogen – in die drei Kammern (die letzte mit minus 110 Grad Celsius). Eigentlich gar nicht so schlimm – nur das Atmen fällt schwer zum Schluss. „Bei der Behandlung geht man nur mit Badehose rein“ relativiert er unser Erlebnis. Seine weiteren Fakten: Vier Ärzte betreuen die Patienten; keine Reha im Angebot und in naher Zukunft ist ein Kompetenz-Zentrum für Langlauf geplant.
Nach dem warmen Kurklima der Wechsel in die frische Nachtluft. Mittlerweile warm eingepackt starten wir die Fackelwanderung zum Stuibenfall, mit 159 Meter der höchste Wasserfall Tirols. Nach etwa einer Stunde Fußmarsch durch verschneites Gelände donnern die Wassermassen im grellen Scheinwerferlicht zu Tal. Geräuschpegel, Gischt und Umgebung faszinieren als Einheit. Auf dem Rückweg besuchen wir das Waldcafe Stuböbele (www.waldcafe-stuböbele.at). In dem von Bäumen eingerahmten „Hexenhäuschen“ servieren Besitzer Marion und Marko Wilhelm riesige Tiroler Jause-Platten und Kaiserschmarrn. Als Teller und Gläser leer sind, drängt Nicole Jäger zum Aufbruch. Pappsatt und wohlig aufgewärmt spazieren wir über den Lehrpfad Steppsteig (www.oetztal-online.at/urlaubsthemen/sommeraktivitaeten/wandern/familien-genusswanderungen/lehrpfad-steppsteig) und erreichen nach etwa 1,5 Stunden das Hotel Kurzentrum. Dort schon alles dunkel und es bleibt nur noch das Bett. Gut so – denn morgen ist um 9.30 Uhr Abfahrt.
Pünktlich startet der Bus und erreicht nach vielen Serpentinen in 30 Minuten, das Langlaufzentrum im Ötztal. Den Sonnenbalkon auf 1.550 Meter flankieren schneebedeckte Berge, mittendrin ein kleiner Skihang und ansonsten flach. Kaum Zeit zum Sightseeing – wir müssen bei Sport Grüner unser Equipment holen (www.schischule-niederthai-umhausen.com). Als Langlauf-Eleve falle ich im Geschäft durch mein Outfit auf – mit Skihosen, dicken Pulli, Anorak, Pudelmütze und Skihandschuhe. Alle anderen stehen in „Funktionskleidung“ herum – hautenge Hosen, dünne Windbreaker und bunte Tücher um den Kopf. Alle bekommen Schuhe, Stöcke und Ski. Das Laufgerät ist federleicht und die Stöcke riesig. Frage, wie ich in die Schuhe reinkomme? Guide Michael Leiter hilft (habe einen Reißverschluss vergessen). Mit kompletter Ausrüstung marschieren wir zum Sammelplatz im Loipenzentrum.
Dort bereits viele Menschen auf Langlauf-Skiern unterwegs, wobei sich die einen wie Pantomimen bewegen und andere wiederum ganz hektisch voran preschen. Zu welchen werde wohl ich gehören? Zuerst zu keinen von beiden. Denn Michael beginnt mit Aufwärmtraining – ohne Ski. Alle Körperteile werden gelockert, geschüttelt und gekreist. Die vorbeiziehenden Läufer und Spaziergänger schauen überrascht und belustigt. Aber jeder fängt ja mal an. Einige von uns nicht. Um diese „Profis“ kümmert sich Guide Joachim Neurauter, der mit denen nach der Gymnastik gleich in die Loipe steigt und davon sprintet.
Rein in die Latten („kann mir mal jemand bei der Bindung helfen“) und bin dann bereit für die Loipe. Daraus wird (noch) nichts. Michael will uns erst an das Material gewöhnen und nicht anderen Läufern die Spur versperren. Also in freies Gelände. Dort laufen wir hintereinander eine große „8“, um ein Gefühl für Schuhe, Ski und Stöcke zu bekommen. Anfangs recht wackelig, rutsche manchmal nach vorne, manchmal nach hinten weg. Auch das Gleichgewicht lässt mich das eine oder andere Mal in Stich. Es helfen wenigstens die Stöcke. Das ändert sich schnell: Bei der nächsten „8“ keine Hilfsmittel. Die Schritte werden vorsichtiger, das Gleiten kürzer. Der Blick immer nach unten auf die Ski. Mit der Zeit habe ich den Bogen raus. Kaum noch Rücklage oder seitliches Abkippen – und bleibe in der Spur. Michael fährt neben her und korrigiert: „Immer die Belastung auf den gleitenden Ski und den anderen entlasten“ und „du musst in die Knie gehen und nicht so steif stehen“. Folge seine Anweisungen. Der Stand wird stabiler und die Gleitphase länger. Übermütig erhöhe ich das Tempo. Nicht lange – und lande im Schnee. Stelle fest, dass Aufstehen nicht einfach ist. Michael zeigt, wie es geht („versuche, dass du knieend zuerst auf einem Ski Halt findest“) und es gelingt nach einigen Versuchen. Den Rest der „8“ konzentriert und mit „beherrschbarer“ Geschwindigkeit. Dann wird es ernst: Wir steigen in die Loipe. Vorher noch einige Tipps von Michael. „Die Kraft kommt nicht vom Stockeinsatz, sondern aus den Beinen“ und „bei den Anstiegen kleine Schritte mit festen Auftritt, damit die Schuppen an der Unterseite das Zurückrutschen verhindern.“
Damit jeder genug Platz hat, nutzen wir zwei Spuren. Das mit dem Gleiten klappt zwar noch nicht so recht – auch mein Stockeinsatz ist sehr präsent. Michael taucht neben mir auf und zeigt nochmals den Schwung aus den Beinen, die Belastung des Gleitskies und „nimm die Stöcke nach oben, die brauchst du nicht“. Die Abläufe werden rhythmischer und kräftesparender. Das Arbeiten mit Schultern und Armen, das Auf und Ab des Oberkörpers – all das bringt spürbare Erfolge. Den ersten Anstieg schaffe ich mit vollen Stockeinsatz und entspanne bei der anschließenden längere Abfahrt. Höre Michael, wie er Nicole vor mir erklärt, dass durch Doppelstock-Einsatz die Geschwindigkeit mitgenommen wird. Gesagt, getan – und schon stehe ich ihr fast auf den Ski-Enden. „Wir haben gleich unser erstes Etappenziel erreicht“ und zeigt auf einen riesigen Schneemann – der größte im Ötztal! Zwei kurze Aufstiege sind schnell bezwungen und bei der letzten Schleife versucht jeder den anderen zu überholen. Dabei werden oft alle gelernten und gezeigten Tipps komplett verdrängt und jeder wurstelt sich irgendwie zum Treffpunkt. Klatschnass und schnaufend stehe ich in der Runde und harre der Dinge, die noch kommen werden. „Das ist unser Biathlon-Stadion, wo wir heute Nachmittag auf die Scheiben schießen“ sagt Michael und zeigt auf drei Holzhäuschen.
Nicole mahnt zur Eile, denn in einer halben Stunde ist Mittagessen geplant. Habe kaum bemerkt, dass schon über zwei Stunden vergangen sind. Michael: „Wir laufen den gleichen Weg wieder zurück und treffen uns beim Hotel Falknerhof.“ Mit frischen Kräften in die Spur und versuche, alle Tipps in die Tat umzusetzen. Klappt mal, mal nicht – mit dem „Gesamtergebnis“ bin ich am Ziel mehr als zufrieden.
Im 4-Sterne-Hotel Falknerhof wird ein Drei-Gänge-Menü serviert (www.falknerhof.com). Habe Michael als Nachbarn und frage ihn über sich und die Gegend aus. Er arbeitet im Sommer als Zimmermann und im Winter als Langlauf-Guide bei Sport Grüner, betreibt ein Gästehaus (Der Veitenhof) und züchtet Angusrinder. Seine Heimat, Niederthai, hat 400 Einwohner und 1.000 Gästebetten („was für eine Mischung“). Die meisten Urlauber kommen im Winter wegen des Langlaufs (schon ab Anfang Dezember offen). Das Zentrum bietet 31 Kilometer Skating- und 39 Kilometer klassische Loipen – darunter mehrere Nachtloipen (bis 21 Uhr offen). Zu allen sind es relativ kurze Wege. Der größte Vorteil: Das Loipenvergnügen ist UMSONST. Kosten entstehen beim Equipment. Ski, Stöcke und Schuhe gibt es ab zwölf €/Tag und ab 62 € für sechs Tage. Wer was lernen möchte, zahlt für zwei Stunden täglich (Klassik und Skating) 40 €, drei Tage kosten 95 € und fünf Tage 130 €. Einstündige Schnupperkurse sind für 20 €/Person inklusive Ausrüstung buchbar; einstündige Privatkurse belasten mit 60 € die Urlaubskasse. Wer dann noch Schießen möchte, zahlt jeden Donnerstag 20 € für den Biathlon-Schnupperkurs mit Ausrüstung. Auf meine Frage nach dem kleinen Skiberg, den man vom Hotelfenster sieht, sagt er: „Dort gibt es vier Pistenkilometer und vier Lifte. Die Tageskarte kostet 26 € für Erwachsene und ab 17.50 € für den Nachwuchs. Auch für diese Klientel bieten wir individuelle Kurse an.“
Nachdem unser Kalorienbedarf (Wiener Schnitzel 13,50 €, Kaiserschmarrn 10,50 €) wieder auf Vordermann gebracht ist, kommt DER Höhepunkt: Biathlon. Dafür muss die Strecke vom Vormittag bis zum Schneemann wieder bewältigt werden. Nur nicht zu sehr verausgaben und die Bretter gleiten lassen. Michael lässt uns nicht aus den Augen, kritisiert und lobt zugleich unsere Bemühungen. Am Schießstand wartet Gerd Leiter vom Nordic Team Niederthai. Die drei Holzhäuschen sind offen und die Scheiben sichtbar. Zuerst erklärt Gerd das Procedere. „Ob Gewehr, Entfernungen, Scheiben – alles ist wie bei den Profi-Wettbewerben“ erklärt er, „nur schießen wir nicht mit Patronen, sondern mit Lasertechnik“ und nennt dann Details: „Der Abstand zu den Scheiben sind 50 Meter, der Scheiben-Durchmesser beim Stehend-Schießen ist 11,5 cm und im Liegen 4,5 cm. Das Kleinkalibergewehr hat ein Mindestgewicht von 3,5 Kilogramm.“ Er zeigt uns als nächstes die Vorbereitung für Liegend-Schießen. Stöcke aus den Schlaufen und danebenlegen, in die Knie, flach auf die Matte legen und Füße mit den Skiern nach hinten wegspreizen. Dann Gewehr in Schussstellung und mittels Diopter und Ringkorn am vorderen Laufende die Scheiben anvisieren. Ein Holzgestell mit unterschiedlichen Einkerbungen soll für den Anfang helfen. „Unsere Gewehre sind auf Dauerfeuer eingestellt und haben nicht, wie beim Wettkampf, nur fünf Schuss“ beruhigt Gerd unsere Zweifel. Das mit dem Hinlegen kriege ich einigermaßen hin – aber die Handhabung des Gewehrs ist problematisch. Immer wieder verschwindet die Scheibe aus dem Korn und je länger ich das Ziel anvisiere, umso kathostrophaler ist das Ergebnis. Kein Schuss trifft, vergesse das Nachladen und manchmal drücke ich ab, ohne richtig zu zielen. Gerd hilft und erklärt Schritt für Schritt. Mein Fehler: Ich habe die Scheibe zu lange im Visier. „Wenn du das Ziel einigermaßen im Korn siehst, musst du sofort abdrücken.“ Befolge seinen Rat und schon fällt die erste Scheibe. Und dann gleich drei weitere. Bei der letzten komme ich wieder ins alte, falsche Muster. Alles tut weh, meine Finger sind eiskalt und breche das Schießen ab.
Gerd schickt mich in die „Strafrunde“, die 450 Meter lang sein soll. „Danach schießt du nochmals liegend, denn dann sind es verschärfte Wettkampf-Bedingungen.“ Rein in die Spur und nach der Runde komme ich ziemlich fertig beim Schießstand an. „Du musst erst pulsmäßig runterkommen“ stoppt Gerd meinen Griff zum Gewehr. Nach etwa zwei Minuten liege ich wieder auf der Matte und alles beginnt von vorne – nur mit besseren Ergebnis. Es fallen alle fünf Scheiben – bei zehn Versuchen. „Jetzt das Ganze im Stehen“ spornt Gerd mich an. Rauf auf die Matte, Stöcke auf den Boden und Gewehr in Anschlag. Das wird immer schwerer – und die Scheibe ist im Visier nicht zu sehen. Dabei ist die fast dreimal so groß als beim liegenden Schießen. Setze immer wieder ab und verliere langsam die Lust – und die Kraft. „Denke an das, was ich dir vorher geraten habe. Du brauchst zu lange für die Vorbereitung“. Aber das Ergebnis wird nicht besser. Nach nur zwei getroffenen Scheiben „darf“ ich wieder eine Runde laufen.
Nach der Rückkehr beobachte ich lieber die anderen Mitstreiter. Bei denen geht es auch drunter und drüber. Die Ergebnisse im Liegen können sich sehen lassen, aber im Stehen erleben die meisten ein Debakel. Mein zweiter stehender Versuch geht schief. Obwohl ausgeruht, fallen nur drei Scheiben – bei zehn Versuchen. Meine Biathlon-Karriere kann ich damit begraben. Aber die Hochachtung für die Profis wächst von Minute zu Minute. Bei den anderen hat währenddessen die „Schießwütigkeit“ nachgelassen und es wird heftig über das Erlebte diskutiert. Die meisten – auch ich – waren begeistert und möchten es wiederholen. Doch zu einem anderen Zeitpunkt, denn es fängt an zu schneien und wir müssen zum Hotel zurück. Gerd nennt noch die Konditionen: Jeden Donnerstag und Sonntag ist zweistündiges Schnuppern und kostet acht €/Person. Wer es exklusiv haben will, zahlt für 1,5 Stunden 150 € (Personenzahl nach Wahl). Auf dem Rückweg macht sich der Tag bemerkbar: Die Beine werden schwer und die Schultern schmerzen bei jedem Stockeinsatz. Wie soll das erst am nächsten Tag werden? Da steht am Vormittag Skaten auf dem Programm.
Jetzt erstmal Relaxen. Im Kurzentrum helfen Sauna und Schwimmen im warmen Wasser (drinnen und draußen). Auch das hervorragende Abendessen im Traditionsgasthaus „Krone“ in Umhausen (www.krone-umhausen.at) weckt die Lebensgeister. Draußen schneit es, was das Zeug hält. Doch beim Heimweg gießt es wie aus Kübeln
Am Morgen ist die weiße Pracht weg. Aber Skaten findet statt. In Niederthai hat der Regen seine Spuren hinterlassen. Wo am Tag zuvor noch Schnee lag, sind teilweise Gras und Steine zu sehen. Auch die Loipen haben darunter gelitten. Im Sportshop bekommen wir von Michael Skating-Ski und Stöcke. Da einige Loipen gesperrt sind, bringt uns ein Bus zum Biathlonstadion. Dort soll die Spur bestens präpariert sein. Zuerst einige Lockerungs-Übungen, dann kurze Material-Einführung. Michael demonstriert in Zeitlupentempo die ersten Skatebewegungen. Kaum stehe ich auf den Skiern, liege ich schon flach. Wie das? Die Latten sind glatt – weil keine Schuppen auf der Lauffläche. Neuer Versuch und komme ein paar Meter voran. Michael zeigt nochmals den Ablauf. Scheitere kläglich. Nicht aufgeben, konzentrieren und Ruhe in die Bewegungen bringen. Mit meinen Eishockey- und Inline-Skate-Erfahrungen müsste ich es doch leichter haben – aber die Ski machen nicht mit. Komme oft aus dem Gleichgewicht und in Rücklage. Auch mein Stockeinsatz ist wieder zu extrem. Den brauche ich aber, um einigermaßen voranzukommen und nicht seitlich abzukippen. Bin fix und fertig – dabei es gibt noch viel zu tun. Zähne zusammenbeißen und Gleitski belasten. Nur nicht nachlassen, denn der kleinste Fehler bedeutet Sturz. Michael schließt auf und muntert mich auf. „Sieht ganz gut aus. Du musst immer in die Richtung schauen, wo dein Ski hingleitet. Dann belastet du den fast automatisch und gewinnst Länge und sparst auch Kraft.“ Er beobachtet meine Bemühungen und meint, „dass, wie beim klassischen Stil, zu viel Kraft über die Stöcke kommt.“ Er möchte, dass ich die nicht mehr einsetze und nur mit den Beinen arbeite. Geht anfangs recht schwer. Nach einiger Zeit habe ich den Bogen raus. Beflügelt vom Erfolg drehe ich noch eine 450-Meter-Runde – mal mit Stock, mal ohne und stoppe zufrieden bei der Gruppe.
Dort hat Michael hat schon eine neue Aufgabe: eine längere Steigung und anschließende Abfahrt. Dafür ist eine „rote“ Route vorgesehen. Er zeigt im flachen Gelände, wie das gehen soll. Verstärkter Bein- und auch Stockeinsatz ist Voraussetzung. Nach den ersten Höhenmetern stoße ich schon an meine Grenzen. Der Atem geht stoßweise, die Arme fühlen sich an wie Blei, bin schweißgebadet und jeder Schub schmerzt. Und der Weg nach oben ist weit. Die Schlittschuh-Schritte werden immer kürzer und rutsche öfters wieder zurück. „Ich muss Druck auf den Ski bringen“ und quäle mich auf die Kuppe. Dort verschnaufen und gleite im Schneepflug nach unten. Bin verdammt schnell und die schmalen Ski flattern wie verrückt. Gehe in die Knie, Stöcke nach hinten und die alpine Abfahrtshaltung bringt mich heil ins flache Gelände. Dann auf dem bekannten Rundweg mit entspannten Schritten bis zum Schneemann, wo Michael wartet. „War nicht schlecht“ lobt er „und deshalb machen wir das nochmal.“ Einige protestieren und wollen nicht mitmachen. Ich kneife nicht und starte den neuen Versuch. Anfangs geht es noch verhältnismäßig leicht, aber in Anstieg-Mitte brennen die Oberschenkel und die Schultern ebenso (Michael: „Beim Langlaufen werden 93 Prozent aller Muskeln beansprucht.“). Hoffe, dass mich die restlichen sieben Prozent nicht in Stich lassen und mir nach oben helfen. Ignoriere die Schmerzen und schaffe die letzten Meter mehr schlecht als recht. Michael erlöst mit „das war unser letztes hartes Stück Arbeit, denn es geht jetzt Richtung Falknerhof zum Mittagessen.“
Aufatmen allerseits und nutzen die Abfahrt für den nötigen Schwung ins flache Gelände. Muss auch sein, denn der nasse Schnee erfordert mehr Kraft als gedacht. Wechsle je nach Untergrund zwischen Klassisch und Skaten und nehme mir Zeit für die letzten Schritte in der Loipe. Das lässt mich die Erschöpfung und Schmerzen vergessen – ein Gefühl von Stolz über das Erreichte und Erlebte begleitet mich bis zum Sportshop, wo ich das fast „liebgewonnene“ Equipment abgebe. Beim Essen erzählt jeder von seinen Eindrücken und die Antwort auf die Frage, wer in Zukunft Klassisch oder Skaten weitermacht, ist unentschieden. Ich möchte Skaten wie Simon Schempp!
Weitere Infos: