Von den Gletscherpisten zum Eistauchen

Die Skistationen Tignes und Val d’Isère gehören zu den Top-Adressen der Wintersportler

Tignes Skifaher oberhalb Stausee
Tignes Skifaher oberhalb Stausee

Alain Marchand kennt sich aus. Als ehemaliger Trainer des spanischen und finnischen Skiteams hat der exzellente Skifahrer in den  80-er Jahren die ganze Welt bereist. Nun lässt er es ruhiger angehen. Aus seiner Sicht. Skitouristen, die er durch sein Revier, das Pistengebiet „Espace Killy“ im französischen Savoyen führt, haben zu tun, dem mittlerweile Sechzigjährigen zu folgen. Mehr als 150 Tage ist er nach wie vor jeden Winter auf seinen Skiern. In Begleitung vom Alain Marchand kommt man an einem Tag weit herum zwischen den beiden französischen Top-Skiorten Tignes (2100 Meter) und Val d’Isère (1850 Meter), die sich 1957 zum Skigroßraum „Espace Killy“ zusammengeschlossen haben.

Das nach dem dreimaligen Olympiasieger von Grenoble 1968, Jean-Claude Killy, benannte, sich über drei Berge und zwei Täler erstreckende Skigebiet ist das älteste der Savoyer Alpen. 80 Bergbahnen, darunter zwei rasante unterirdische Metros, erschließen mehr als 150 Pisten jeglicher Schwierigkeitsgrade –  vom berühmten Skiberg, der Grande Motte (3456 m) im Westen, bis zu den breiten Gletscherpisten im Osten nahe des Col de l’Iseran, über den die durch die Tour de France bekannte, 2770 m hohe, gleichnamige Passstraße verläuft.

Tignes Val Claret
Tignes Val Claret
Lac de Chevril
Lac de Chevril

Die Station auf dem Grande-Motte Gletscher bietet neben einer grandiosen Aussicht ebenso großartige Skierlebnisse. Zu den spektakulärsten zählen die bei Einheimischen und Freeridern beliebten Couloirs der Felskette „Les Grandes Balmes“, ungemein steile, enge Rinnen, die am Ortsrande von Tignes Val Claret enden. Zu den längsten Abfahrten gehört die über die Aiguille Percée (2748 m) erreichbare Piste hinunter nach Tignes les Brévières (1550 Meter) unterhalb des Chevril-Stausees, in dem 1953 das frühere Dorf unterging, dessen erste Besiedlungsspuren bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen. Alle zehn Jahre tauchen die alten Gebäude, die nicht abgerissen wurden, wie von Zauberhand aus den Fluten wieder auf, wenn der Stausee komplett abgelassen wird, damit der Untergrund gereinigt und von Ton- und Löss-Ablagerungen befreit werden kann. Zum Gedenken an das versunkene Dorf Tignes wurde 2003, zum fünfzigjährigen Jubiläum der Talsperre, vom französischen Bildhauer Livio Benedetti am Ufer des Lac du Chevril das Denkmal „Semper Vivens“ (lat. „immer lebendig“) errichtet – eine junge Frau in traditioneller Kleidung, die stolz über das Wasser blickt.

Routiniers wählen für den letzten Abfahrts-Abschnitt von der Aiguille Percée nach Tignes les Brévières „La Sache“, breite, abwechslungsreiche, unpräparierte Hänge, die auch das Herz der Skifahrer höher schlagen lassen, die meinen, schon alles zu kennen. Das gelingt aber nur in Begleitung eines geländekundigen Skiführers. Alain Marchand ist so einer. Er weiß, wo der beste Schnee liegt und die Schwünge am genussvollsten sind. Alain kennt auch die besten Lift- und Pistenverbindungen, um später wieder zügig zurück ins moderne Tignes zu gelangen, das Ende der 50er Jahre oberhalb des Stausees neu erbaut wurde. Alle drei Ortsteile Le Lac, Lavachet und Val Claret, die sich um einen kleinen See gruppieren, sind optimal ans Skigebiet angeschlossen, das sich über den 2704 m hohen Gipfel der Tovière hinüberstreckt nach Val d’Isère, wo 1992 die Alpinwettbewerbe der Olympischen Spiele stattfanden. Marc Bauer, der Bürgermeister von Val d’Isère, bemüht sich sehr, den historischen Ortskern aus dem 16. Jahrhundert zu bewahren. Neubauten dürfen nur im savoyardischen Baustil errichtet werden. Das älteste, originalgetreu wieder aufgebaute Gebäude der Gemeinde, das „Maison Moris“, aus dem 17. Jahrhundert zeigt mit seinen in unterschiedlicher Höhe angebrachten Eingangstüren, wie die Einheimischen damals dem Wetter trotzten. War die untere Eingangstür zugeschneit, benutzen sie den etwa zwei Meter höher liegenden Zugang.

Val d`Isère
Val d`Isère

Für die Olympischen Spiele wurden neue Pisten gebaut. Zu den anspruchsvollsten zählt die vom früheren Schweizer Weltmeister Bernhard Russi entworfene Abfahrtsstrecke „Face de Bellevarde“, eine extrem steile und kurvenreiche Strecke, auf der die Zuschauer die Rennläufer nahezu während der gesamten Fahrt vom Start in 2807 m Höhe bis ins 959 m tiefere Ziel verfolgen können. Im    vor zwei Jahren eröffneten Skimuseum von Val d’Isère sind neben vielen Dokumenten und Ausrüstungsgegenständen vom Beginn des Wintersports bis heute auch die schmalen, 2,15 m langen Latten zu bestaunen, mit denen der Österreicher Patrick Ortlieb 1992 Olympiasieger wurde.

Das Espace Killy ist ein sportliches Skigebiet ist. Doch insbesondere die Franzosen, die 50 Prozent der Gäste ausmachen, rutschen meist gemütlich über die Pisten. Neben dem Skisport ist ihnen das Essen wichtig. In den Restaurants, wie im „La Fruitière“ oberhalb von La Daille, werden mittags dreigängige Menüs serviert. Bei schönem Wetter drängen sich auf der riesigen Terrasse die Skigäste an den vielen Tischen und lassen sich neben dem Essen die Clownereien schmecken, mit denen sie Kabarettisten auf einer Bühne mitten im trubeligen Terrassenbetrieb unterhalten, während auf einem Balkon der DJ schon bereit steht, die Skitouristen später mit Elektro-Musik zum Tanzen zu animieren. Für viele Gäste endet der Skitag somit frühzeitig. Sicherheitskräfte achten mit Argusaugen darauf, dass diejenigen, die nicht mehr fest auf den Beinen stehen, mit der Bergbahn ins Tal fahren.

Dort unten geht der Tanz weiter. In den vielen Bars und Diskos, die bis spät in die Nacht für Unterhaltung sorgen. Und diejenigen, die am nächsten Tag nicht auf die Piste wollen, müssen dennoch keine Langeweile befürchten: Sie finden bei vielen ausgefallenen Freizeitangeboten, wie Ski-Jöring oder Hundeschlitten-Rennen, ihr Vergnügen. Zum verrücktesten gehört zweifellos das Eistauchen. Dabei steigen die Gäste im Neoprenanzug mit Atemgerät durch ein kreisrundes Loch in den Lac de Tignes, um unter dicker Eisdecke den Geheimnissen des Sees auf die Spur zu kommen.


Weitere Informationen:
Association Ski France Montagnes
Alpespace,24, voie Saint Exupéry, 73800 FRANCIN – 
France,
Tel.: 0033 (0) 479 650 675
Fax: 0033(0) 479 723 178,
info@france-montagnes.com
www.france-montagnes.com
(es wird deutsch gesprochen)

Henno Heintz

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