Bei 12 ° Minus ein Seitensprung? Oooh, wie haben wir ihn genossen! Doch alles schön der Reihe nach. Denn am Anfang knirschte es erst einmal. Jaaa, es kniiiiirschte! Endlich! Erstmals in diesem Winter! Unter den Schuhen! Der fabelhafteste Sound der weißen Welt: Wenn der Schnee jenes berühmte Geräusch von sich gibt, das signalisiert: Höre genau hin und genieße diesen Ton, denn mein Knirschen unter deinen Skistiefeln, mit denen du gerade zum Lift stapfst, verspricht dir – ich bin der reinste Pulver! Erstmals also in dieser Saison Powder. Es ist Sonntag, der 17. Januar 2016, als sich dieses unser ganz persönliches Premieren-Erlebnis des Jahres ereignet – etwa 1.750 Meter über dem Meeresspiegel auf der Turracher Höhe. Um 8 Uhr morgens – bei besagten 12 ° minus.
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ABGEFAHREN! Die Ski-Reporter von Reise-Stories.de unterwegs im Schnee. Jede Woche wieder! Um aktuell zu schildern, wie es auf den Pisten von ……. gerade aus sieht. Dieses Mal: So war es letztes Wochenende auf der Turracher Höhe in Österreich.
Foto oben:
Sonnenaufgang im Skigebiet der Turracher Höhe am Montag, 17. Januar 2016.
Fotocredit & Copyright aller Fotos dieses Reports:
Jupp Suttner
Text:
Jupp Suttner
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Die Turracher Höhe liegt drei Autostunden von München entfernt in den Nockbergen genau an der Grenze zwischen Steiermark und Kärnten. Die Trenn-Linie zieht sich mitten durch den Turracher See und das Skigebiet. Das wir nun zwei Tage lang befahren werden. Wobei als Erstes einmal Christoph großes Erstaunen hervor ruft:
„Wieso hast Du keinen Sturzhelm auf?“, wird er gefragt.
„Den benutze ich heute als Eierschutz.“
„Und mit was“, will Willi wissen, „schützt Du Dein anderes Ei?“
Es ist – wie der Dialog verrät – eine ziemlich männerlastige Clique, die da unterwegs ist. Weshalb wir trotz Wahnsinns-Super-Dupi-Schnee und menschenleerer Pisten ziemlich bald schon einen Stopp ein legen. Und zwar in der Almstube an der Kornock-Piste. Warum? Weil ein derart garstiger Wind weht, dass einem die -12 ° wie -24 ° dünken. Und warum gerade ein Besuch in der Almstube? Weil sie zur Genuss-Tour des Pisten-Butlers gehört. Letzterer ist eine bereits vor 16 Jahren erfundene Institution der Turracher Höhe. Er trägt eine spezielle Uniform des Edelschneiders Thomas Rettl und fährt mit dem Skidoo über die Pisten, verteilt Süßigkeiten, Prosecco, Bio-Bauernhof-Eis sowie Taschentücher und steht mit Rat und Tat zur Verfügung.
Jedenfalls schlürfen wir gemeinsam mit Pistenbutler Elmar in der Almstube eine Almheusuppe, mit welcher die Wirtsleute mal einen Preis gewannen – und zwar vollkommen zu Recht. Doch dann wieder hinaus zur Tür und hinein in den Skiwinter. Bald schon stehen dem ABGEFAHREN-Reporter Tränen in den Augen. „Hast Heimweh?“, wird er gefragt. Nein, Blödweh plagt ihn. Weil er ein lässiges aber leider auch luftdurchlässiges Visierglas für diesen Tag erwählt hat statt einer ordentlich soliden Skibrille.
Trotzdem zischen wir weiter – und es ist einfach wunderbar. Ein Untergrund zum Niederknien – etwa 25 cm Naturschnee, der flockig leicht und penibel präpariert auf einer dicken Schicht von man made snow liegt. Und die Hänge? Prima! Das Gebiet weist zwar nur 42 Pisten-Kilometer auf, doch die offerieren wahre Wonnen. Für wen das kleine, feine Skigebiet geeignet ist?
Nicht für Hardcore-Freaks, die eine Herausforderung nach der anderen suchen – denn lediglich rund 3,5 km der Pisten sind schwarz, also schwierig.
Und auch nicht für Pist off-Fans, die einen Tiefschneehang nach dem nächsten sich ersehnen – da ist man hier an der falschen Adresse.
Aber dafür:
Klasse für Genuss-Süchtige, die es lieben, hedonistisch zu cruisen – denn etwa 58 % der Pisten sind rot, also mittelschwer. Und das Schönste daran:
Diese roten Pisten sind immer wieder unterbrochen von blauen (also leichten) Passagen, in denen man sich einesteils fabelhaft erholen – und in denen man andererseits auch als nicht Nicht-Super-Carver klasse das Ski-auf-die-Kanten-stellen üben kann.
Was dem Revier hingegen vollkommen fehlt: Ziehwege. Jene sind bei den meisten Wedlern so beliebt wie Bruchharsch. Was desgleichen fehlt: Total flache Übergänge, bei denen Snowboarder wegen zu geringen Tempos zum Stillstand kommen und bei Spätnachmittag-Rides zu überlegen beginnen, ob sie ein Biwakzelt errichten sollen oder doch noch kilometerweit mit dem Brett unter dem Arm bis zur nächsten Vertikale watscheln sollen. Die Turracher Höhe hingegen bildet für Snowboarder ein Pistengebiet, bei dem sie niemals unterwegs abschnallen müssen.
Und so wedeln wir weiter und wagen trotz tiefer Temperatur einen – Seitensprung! Er dauert zwar nur 2,5 Minuten – aber lieber ein Quickie als gar nichts. „Seitensprung“, so heißt ein Lift auf der Turracher Höhe und am Einstiegshäuschen des Schleppers hängen Höschen und BHs.
Warum diese Aufstiegshilfe so tituliert wurde? Da zucken selbst die Einheimischen mit den Schultern. Angeblich, meinen sie, weil man mit dem Verbindungslift von einer Seite zur anderen wechseln kann.
Nach diesem einen Quickie folgt für uns gleich der nächste – ein Kurzstopp in der Sonnalm-Hütte beim Sonnenlift, wo wir vor dem Fernseher einen wahrhaften Höhepunkt erleben: Vicky Rebensburgs Riesenslalom-Triumph in Flachau! Wozu wir im Rahmen der Genusstour auch noch Kärntner Kasnudln mit steirischem Kernöl kredenzt bekommen – eine Kombinations-Kreation zweier Länder.
Auch ein drittes Land spielte hier noch eine bedeutende Rolle – England. Die Briten bauten als Besatzungsmacht 1946 den ersten Skilift auf der Turracher Höhe. Er läuft als „Engländer-Lift“ heute noch. Außerdem verkündeten die Angelsachsen seinerzeit:
„Wir bauen ein Teehaus!“
„Auf UNSEREM Grundstück?“, fragte ein Einheimischer, den es betraf.
„Ihr habt den Krieg verloren – und wir bauen, wo WIR wollen!“
Das Teehaus steht heute noch – direkt neben einer der Pisten. Es befindet sich inzwischen wieder in österreichischem Privatbesitz und ist der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Wer eine Teezeremonie wünscht, muss sich ins 4****S-Hotel Hochschober begeben, wo sie einen chinesischen Turm errichtet haben.
Wir jedoch sind für unseren Aufenthalt nicht im berühmtesten Haus des Orts abgestiegen, sondern im ältesten. Es existiert – damals als erweiterte Almwirtschaft des Fürstenhauses Schwarzenberg – seit 1830 und avancierte inzwischen zu einem wirklich hübschen, weil ausgesprochen heimeligen 4****-Sterne-Haus der Familie Prodinger. Glanznummer des nur drei Gehminuten vom Skilift entfernten Genießer-Schlosshotels Seewirt ist zweifelsohne die Küche, denn seit Hoteliers-Sohn Philipp dort den Kochlöffel schwingt und nach dem Einstieg 2008 gleich 2009 die ersten Hauben, Gabeln und Sterne ein heimste, steht das Restaurant auf dem MUSS-Programm eines jeden Turracher Höhe-Urlaubers. Auch wenn er nicht beim Seewirt logiert. Jene jedoch, die hier absteigen, erhalten als Halbpension jeden Abend ein 6-Gänge-Menü der erlesensten Art.
Die Turracher Höhe mit etwa 300.000 Übernachtungen pro Jahr (67 % davon im Winter, wo wiederum mit je 35 bis 40 % die Österreicher und Deutschen den Hauptanteil bilden vor den Drittplatzierten Ungarn) liegt vollkommen malerisch am Turracher See und offeriert eine verblüffende Exklusivität: ein See-Taxi, mit dem man auf Ski den See überquert, um bei der Turracher Höhe-Runde von einem Berg zum nächsten zu gelangen. Die Methode ist simpel: Ein Offroad-Auto mit einer Querstange hinten dran, an die sich die
Skifahrer(innen) mit den Händen fest klammern und so kostenfrei über den gefrorenen See gezogen werden. Auf diese Weise gelangen wir zu einem Lift, an dessen Runterklapp-Bügel ein regionales Installations-Unternehmen namens Schoaß KG wirbt. Carven mit der Schoaß KG – ein BAYERISCHES Unternehmen würde mit Sicherheit seinen Namen ändern, so er so anrüchig klänge.
Am nächsten Morgen, Montag, 18. Januar 2016, zeigt das Thermometer beim Skistall des Seewirts um 7 Uhr in der Frühe an: -20 (zwanzig!) ° ! Doch den meisten der Gruppe wird es warm, denn es geht unter Führung des Pisten-Butlers mit Schneeschuhen rund eine halbe Stunde lang hinauf zur Almzeit-Hütte – um dort den Sonnenaufgang und ein Frühstück zu genießen. Sowie anschließend die ersten Spuren des Tages in die frisch präparierten Pisten zu ziehen.
Wie die dazu nötigen Ski auf den Berg kamen? Natürlich durch den – wen denn sonst – Pisten-Butler, der einfach für alles zuständig ist. Zum Beispiel auch für die Lösung von Dental-Problemen. „Falls Du Zahnschmerzen hast“, rät der Pisten-Butler, „dann brauchst Dir nur mit dem Hammer auf die Zehen zu hauen – dann spürst keine Zahnschmerzen mehr.“
Der Tipp ist gebührenfrei – denn Service ist alles auf der Turracher Höhe. Beispielsweise auch kostenlose Liegestühle im gesamten Skigebiet.
Die –20 ° sinken im Laufe des Vormittags auf –10 und später sogar auf nur mehr –4 ° und es herrscht null Wind, so dass die tiefen Temperaturen nunmehr 0,0 Problem bedeuten. Und dieser Montag bei strahlend blauem Himmel zum besten Ski-Tag der bisherigen Saison gerät. Wir können uns gar nicht satt fahren an der prickelnden Panorama-Abfahrt mit ihren drei S-Kurven und an unserer Lieblings-Piste namens Eisenhut, die genau so gut Dr. Eisenbart heißen könnte angesichts ihrer spannenden Passagen.
Bis auf 2.205 m Höhe führen die Lifte (Tageskarte 43,50 Euro, 6-Tages-Pass je nach Saison zwischen 211 und 228 Euro) hier herauf. Neueste Kreation ist dabei die Schafalm-Bahn . Deren Errichtung im Sommer 2015 wird nun am kommenden Wochenende gefeiert – in Kombination mit der 70-Jahres-Feier des Engländer-Liftes. Hierbei darf am Freitag (22. Januar) jeder, der dieses Jahr 70 wird, kostenlos lifteln. Am Samstag (23. Januar) fahren alle gratis, die sich als Schaf verkleiden. Und am Sonntag (24. Januar) sind die Bahnen für Kinder bis 14 frei und findet um 14 Uhr das erste Schaf-Rennen der Alpen statt. Im K.o.-System wie in Irland und Schottland. Inklusive Wettbüro.
Als wir im Hotel aus checken, erfahren wir noch von einem Sonderservice des Hauses: Dass alle Scheiben der Gäste-Autos enteist werden! Nicht vom Pistenbutler, sondern vom Hausdiener. Leider aber erst ab Februar. Nun gut – kommen wir dann halt wieder. Etwa am 2. April zum Kilt Skitag, bei dem man schottisch bekleidet von Hütte zu Hütte schwingt.
Wozu unser Willi gleich einen uralten Golf-Witz zum Besten gibt, bei dem ein Kontinentaleuropäer von einem schottischen Spieler zu wissen begehrt:
„And in winter times – you play with red balls?“
“Oh no – in winter times we take underwear!”
Wie gesagt: Es war größtenteils eine Männer-Clique an diesem Wochenende.
Jupp Suttner
Infos über das getestete Skigebiet:
www.turracherhoehe.at
Infos über die erwähnten Hotels:
www.schlosshotel-seewirt.com
www.hochschober.com
Infos über die Region:
www.nockberge.at
Infos über das Land:
www.steiermark.com
www.kaernten.at
www.austria.info